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Die Reichspostfahne hoch (22.03.2006)



Am kommenden Samstag wollen Neonazis durch Gütersloh marschieren. »Jugend braucht (wieder) Perspektiven«, finden die Drahtzieher. Nach Einschätzung von Antifaschisten kommen die aber nicht aus Ostwestfalen, sondern vor allem aus Hamm und Köln. Sie wollen »Gegen den linken Mainstream und ausländische Jugendbanden« demonstrieren und fordern ein nationales Jugendzentrum für Gütersloh. Ein breites Bündnis mobilisiert gegen die Nazi-Demo.


Von Mario A. Sarcletti

»Diese Demo richtet sich gegen Cable Street Beat und damit gegen eine antifaschistische Jugendkultur«, ist sich Anja (Name geändert) vom Gütersloher Bündnis »Courage gegen Rechts« sicher. Kein Wunder, dass die Gruppe Rechtsextremen ein Dorn im Auge ist. Seit Jahren organisiert sie Punk- und Ska-Konzerte, spricht damit Jugendliche an und gewinnt sie für antifaschistische Ideen. In Gütersloh ist Cable Street Beat (CSB) fest verankert: »CSB hat es durch kontinuierliche Arbeit geschafft, dass wir bei vielen Jugendlichen aber auch bei der Stadt einen guten Ruf haben«, sagt Anja.


Kaum ein Bein auf der Erde

Die Rechtsextremen hingegen bekommen in Gütersloh kaum ein Bein auf den Boden, auch wenn sie gleich zwei Vereinigungen gegründet haben. Auf die »Kameradschaft Gütersloh« folgten vor einigen Wochen die »Freien Nationalisten«. »Die wollen noch freier sein als die Freien Kameradschaften und damit die radikaleren Kräfte ansprechen«, erklärt Anja. Mit der Kameradschaft sollen nach ihrer Einschätzung »normalere« Jugendliche angesprochen werden. Entsprechend ging es im Forum der Homepage bzw. Heimseite der Freien Nationalisten ab: Neben einer Karikatur, in der bei einer Ku-Klux-Clan Hochzeit statt der Dosen Afroamerikaner hinter dem Auto mit dem Schild »Just Married« hergeschleift werden, enthielt das auch einen Eintrag einer Userin, die sich als Nationalsozialistin outete.

Personell sind die Gütersloher Nazis eher zu vernachlässigen, etwa zehn Mitglieder haben die beiden Vereinigungen nach Einschätzung des Antifaschistischen Kreisplenums Gütersloh. Auffällig wurden die im Juli vergangenen Jahres, als etwa ein Dutzend Jugendliche mit Fahne und Transparent durch die Gütersloher Innenstadt latschte. Da ihnen das Zeigen der verbotenen Reichskriegsflagge anscheinend zu heikel war, hielten sie damals die Reichspostfahne hoch, eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz folgte dennoch.

Dass die Gütersloher Rechten Verbindungen in den harten Kern der Szene haben, zeigten damals Kleidung und Aufkleber, die sie bei der Aktion verwendeten. Einige trugen T-Shirts der Marke »Teutonic-Warrior«, die von Meinolf Schönborns »Z-Versand« vertrieben wird, daneben verklebten sie Aufkleber mit der Aufschrift »Deutsches Reich«, die auch aus dem Angebot des Versands stammen. Meinolf Schönborn war in den 80er Jahren in der Nationalistischen Front aktiv, weil er diese auch nach ihrem Verbot weiter betrieben hat, saß er mehr als zwei Jahre im Gefängnis.

Auch bei der Demonstration am Samstag setzen die Gütersloher Rechten auf Unterstützung von außen, an der Organisation ist das »Aktionsbüro West« beteiligt. Unter dessen Dach haben sich mehrere Kameradschaften und Autonome Nationalisten vor allem aus dem Ruhrgebiet zusammengeschlossen, federführend ist der Kölner Axel Reitz. Ob der Jungnazi an der Demonstration in Gütersloh teilnehmen kann ist abzuwarten, da auch er zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Enge Kontakte bestehen nach Einschätzung von Courage gegen Rechts Gütersloh auch zur Kameradschaft Hamm. Deren Macher Sascha Krolzig war Versammlungsleiter der Nazi-Demonstration in Münster Mitte Februar. Nachdem er aber bei einem Angriff auf einen Gegendemonstranten eine Polizistin attackierte, wurde er verhaftet.