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Prozessbegleiterinnen ausgebildet (24.05.2006)





Magadalene Sadura und Maria Therre, die beiden Frauen in türkisfarbenen T-Shirts, haben aus Bielefeld an der Ausbildung teilgenommen



Zwei Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs und der Beratungsstelle des Mädchenhauses sind zu Prozessbegleiterinnenen ausgebildet worden. Damit sollen sie Zeuginnen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, vor Gericht einen besseren Schutz bieten.


Von Manfred Horn

Seit dem 7. Mai 2006 gibt es die ersten interdisziplinär ausgebildeten Sozialpädagogischen Prozessbegleiterinnen. Zwei der bundesweit 17 Absolventinnen – Magdalene Sadura, Mitarbeiterin des Frauennotrufs und Maria Therre, Mitarbeiterin der Beratungsstelle des Mädchenhauses – kommen aus Bielefeld.

Die erste berufsbegleitende Weiterbildung zu Sozialpädagogischen Prozessbegleiterinnen wurde vom RWH-Institut in Berlin (Recht Würde Helfen – Opferschutz im Strafverfahren) entwickelt und veranstaltet. Schirmherrin des Pilotprojektes war Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Sie hat zum Abschluss der Weiterbildung die 17 Absolventinnen zum Mittagessen ins Bundesjustizministerium eingeladen, um mit ihnen über Inhalte, Erfahrungen und Anregungen aus der Praxis zu diskutieren. Finanziell wurde das Projekt von Jan Philipp Reemtsma von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur gefördert.

Im Mittelpunkt der Weiterbildung standen der Schutz und die Rechte der verletzten Zeuginnen vor Gericht. Frauen und Mädchen, die Opfer von sexualisierter Gewalt wurden, sind oft schwer traumatisiert. Quälende Erinnerungen, Scham und Angst werden aktualisiert, wenn sie im Strafprozess aussagen müssen. Besonders Kinder und Jugendliche fühlen sich häufig gleichzeitig auch schuldig, weil ihre Aussage über das Schicksal des Angeklagten entscheidet. Auch die Beurteilung des Gerichtes, ob ihre Aussage glaubhaft ist, löst bei vielen Zeuginnen Ängste und Ohnmachtsgefühle aus.

In dieser schwierigen Situation betreuen Sozialpädagogische Prozessbegleiterinnen die Opferzeuginnen – während die Aufmerksamkeit der übrigen Prozessbeteiligten oft mehr auf den Täter und seine Verurteilung gerichtet ist, als auf das Wohlergehen der verletzten Frauen und Mädchen. Gut betreute Zeuginnen können nicht nur qualitativ bessere Aussagen vor Gericht machen. Dieses dient der Wahrheitsfindung im Strafprozess. Auch sind bei entsprechender Betreuung häufig in der Lage, nach dem Gerichtsverfahren den Missbrauch, die Vergewaltigung oder andere Formen von sexualisierter Gewalt besser zu verarbeiten.

Neben ihren jahrelangen beruflichen Erfahrungen können die Absolventinnen nun eine achtmonatige interdisziplinäre Weiterbildung vorweisen, bei der sie von bundesweit renommierten SozialarbeiterInnen und -pädagogInnen, PsychologInnen, PolizistInnen, RechtsanwältInnen, StaatsanwältInnen und RichterInnen ausgebildet wurden. Sie haben dabei Kenntnisse über Ermittlungs- und Strafverfahren, Nebenklage und Opferrechte, Rechte des Beschuldigten, Aussagepsychologie und Jugendhilfe erworben.


Kooperation mit Staatsanwaltschaft gestartet

Schon im September 2005 des vergangenen Jahres startete in Bielefeld ein Kooperationsprojekt zwischen dem Mädchenhaus, dem Frauennotruf und der Staatsanwaltschaft. Im Arbeitskreis ›Frauen in und um den Prozess‹, der unter anderem die Zielsetzung einer besseren Vernetzung aller am Gerichtsverfahren beteiligten Einrichtungen hat, wurde in Anlehnung an ein Modellprojekt in Schleswig Holstein das Bielefelder Konzept zur Begleitung von Opferzeuginnen im Strafverfahren entwickelt.