Webwecker Bielefeld: butterwegevortrag02

Die, die den Sozialstaat schlecht machen (Teil 2)



Das passt: Das Hartz-IV-Optimierungsgesetz sieht Leistungen nur noch für diejenigen vor, die bereit sind, auch etwas zu leisten. Wer nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen, kriegt auch nichts mehr. Zwar sind keine regulären Arbeitsplätze verfügbar, aber Arbeitskräfte, die nicht bezahlt werden müssen, nimmt die Wirtschaft nach wie vor gerne.


Gegen Leistungsgerechtigkeit

Vernachlässigt werde hingegen die Beteiligungsgerechtigkeit. Damit ist gemeint, dass alle Bürger gleiche Zugänge zu Bildung und Arbeit haben. Dieses sozialdemokratische Relikt wird nicht zuletzt durch die Politik der SPD in der großen Koalition kontokariert. Beteiligungsgerechtigkeit aber reiche nicht, sagt Butterwegge. Sie müsse ergänzt werden durch Verteilungsgerechtigkeit. Denn ohne Kohle gibt’s keine Bildung und später auch keine Umschulung. Tatsächlich aber würden heute »Millionen von Kindern« von den Bildungsausgaben abgekoppelt, sagt Butterwegge. Dies ziehe sich von den Kindern bis zu den Erwachsenen durch.

Der bei der Einführung von Hartz IV hochgehaltene Aspekt des Förderns sei kaum noch sichtbar, bei den Eingliederungstiteln sollen Milliarden gespart werden. »In meiner Kindheit kostete das Freibad 10 Pfennig«, sagt Butterwegge und kann sich deshalb so genau erinnern, weil seine Mutter in ihr Fotoalbum nicht nur den kleinen Christoph in Badehose klebte sondern daneben auch den Eintrittscoupon des Schwimmbades. Wer weiß, was heute ein Nachmittag im Spaßbad kostet, weiß, dass sich Hartz-IV-Empfänger dieses Vergnügen nicht leisten können.

»Das Thema Generationengerechtigkeit lenkt von der Verteilungsgerechtigkeit ab«, legt Butterwegge noch einen drauf. Die vielbeschworene Verantwortung für die nächste Generation sei nicht haltbar. »Was heute an Schulden gemacht wird, ist alleine der Verteilung des Reichtums in der heutigen Generation geschuldet«, sagt Butterwegge. Denn der Staat leihe sich sein Geld vor allem von den Reichen des Landes. »Die Kinder der Reichen werden an dem verdienen, was die Väter heute angelegt haben«. Die Medien aber würden immer nur auf die Opfer des Sozialabbaus schauen und von diesen verlangen, den Gürtel noch enger zu schnallen, auch wenn »gar kein Gürtel mehr da ist«. »Die Reichen könnten ja auch mal ein paar Jahre auf ihre Zinsen verzichten«, sagt Butterwegge und weiß: »Davon spricht aber niemand«.

Butterwegge nutzte in seinem Vortrag die Medien als Beleg für seine Thesen. Eine wirkliche Medienanalyse lieferte er allerdings nicht. Da reichte es auch nicht, darauf zu verweisen, dass die Besitzer von Medien und Versicherungskonzernen, die den Menschen zusätzliche private Altersversicherungen andrehen wollen, in einer Hand sind. Denn die ökonomische Verquickung ist zwar wichtig, greift aber zu kurz, um den Neoliberalismus in den Köpfen vieler Journalisten erklären zu können.

Aufgegeben hat Butterwegge den Sozialstaat noch nicht. Ihn präge ein »historischer Optimismus«. Frankreich zeige, dass sich etwas verändern kann: »Jede Regierung ist druckanfällig«. Butterwegge wäre froh, wenn sich mehr kritische Stimmen erheben. Gelinge der Umschwung nicht, käme es nach einer Us-Amerikanisierung der Gesellschaft auch zu einer Us-Amerikanisierung des Sozialstaats. Allein, der Glaube an den Umschwung ist nicht weit verbreitet. Dies wurde in der anschließenden Diskussion deutlich.