Webwecker Bielefeld: ProContra01

Pro und Contra – Wie weiter mit der Arbeit in Deutschland?



Die Entwicklung des Arbeitsmarkts ist eines der heißen Wahlkampfthemen.
Im Rahmen einer Diskussion im WebWecker nahmen Rainer Wend (SPD) und Martin Künkler (Sprecher der Bundes-Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen) Stellung. Hintergrundinformationen finden Sie an anderer Stelle im WebWecker: Texte zum Hartz-Papier.





Pro – Rainer Wend (MDB SPD)

Neue Wege eröffnen - Chancen nutzen


Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind ein mutiges und von sozialer Ausgewogenheit geprägtes Gesamtkonzept. Sie sind - nach dem JOB-AQTIV-Gesetz - ein weiterer Schritt zu einer modernen Arbeitsmarktpolitik.

Die Vorschläge für eine bessere Arbeitsvermittlung sind ebenso vernünftig wie das Ziel, Arbeitsunwillige stärker in die Verantwortung zu ziehen. Engagierte Eigenbemühungen sind eine unersetzliche Erfolgsvoraussetzung bei der Arbeitssuche. Unzumutbare Stellen muss keiner annehmen, Zumutbares wird stärker als bisher eingefordert. Die Arbeitsämter werden konsequent auf Kundenorientierung ausgerichtet. Wir werden die Reform der Bundesanstalt für Arbeit gemeinsam mit ihren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angehen.

Eine wichtige Verbesserung bietet unter anderem die Einrichtung der Personalserviceagenturen (PSA). Die Zeitarbeit bietet Arbeitslosen Chancen als Brücke zurück zur Arbeit. Die PSA erweitern die Angebote der aktiven Hilfe durch die Möglichkeit der Beschäftigung von Arbeitslosen und übernehmen damit eine Sprungbrettfunktion. Gerade Langzeitarbeitslose brauchen eine optimale Unterstützung bei gleichzeitiger Absicherung. Sie werden über die PSA tariflich abgesichert beschäftigt. Ziel ist dabei immer die dauerhafte Beschäftigung.

Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind eine große Chance, den Arbeitsmarkt zu modernisieren und dabei die soziale Balance fest im Blick zu behalten. Der nachhaltige Abbau der Arbeitslosigkeit ist ein so wichtiges Vorhaben, dass alle Beteiligten aufgefordert sind, die Vorschläge zu unterstützen.



Contra – Martin Künkler (Sprecher der Bundes-Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen)

Angriff auf erkämpfte Arbeitnehmerrechte


Im Kern laufen die Hartz-Vorschläge darauf hinaus, Druck auf die Löhne und Druck auf die Arbeitsbedingungen auszuüben. Nicht die Zahl der Erwerbslosen sondern die erkämpften Standards von Lohnarbeit werden drastisch gesenkt. So können etwa die geplanten scheinselbständigen ›Ich-Ags‹ ihre Arbeitskraft billiger anbieten, weil sie weniger Steuern zahlen und einen Zuschuss vom Arbeitsamt erhalten. Reguläre Arbeit wird durch prekäre Beschäftigung ersetzt werden. Gleiches gilt, wenn Hunderttausende Erwerbslose in Leiharbeit gezwungen werden.

Auch enthalten die Vorschläge weiterhin pauschale Leistungskürzungen: So soll die jährliche Erhöhung des Arbeitslosengeldes entsprechend der Lohnentwicklung zukünftig entfallen. Erhebliche Einkommensverluste drohen auch mit dem neuen ›Arbeitslosengeld II‹, das die heutige Arbeitslosenhilfe ersetzen soll. Zwar fehlen konkrete Aussagen zu Höhe und Ausgestaltung im Hartz-Bericht. Doch soll das Arbeitslosengeld II nur noch den »Lebensunterhalt sicherstellen« – genau die Funktion also, die heute der Sozialhilfe zukommt. Damit wird das Niveau der sozialen Absicherung bei Erwerbslosigkeit radikal zusammengestrichen: Das sozialstaatliche Prinzip, den Lebensstandard zu sichern und den Abstieg auf der Wohlstandsleiter zu begrenzen, wird aufgegeben. Übrig bleibt lediglich die Sicherstellung des Existenzminimums.

Viele der Hartz-Vorschläge stehen in krassem Widerspruch zu gewerkschaftlichen Grundüberzeugungen und dürfen so nicht Wirklichkeit werden.