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Neuinfektionen steigen wieder an (01.09.2004)





Peter Struck: »Das Schutzverhalten ist rückläufig«



Die Zahl der HIV-Infektionen nimmt in Deutschland wieder langsam zu. »Für uns ein Signal«, sagt Peter Struck, Geschäftsführer der Aids-Hilfe Bielefeld. Zwar seien der Anstieg in der Arbeit nicht direkt wahrzunehmen, aber die Prävention vor Neu-Infektionen müsse wieder ein stärkeres Thema werden. Seit Entdeckung der Krankheit in den 1980er Jahren sind in Deutschland inzwischen etwa 22.000 Menschen an der Immunschwäche gestorben, aktuell gibt es circa 43.000 Infizierte, alleine circa 2.000 davon steckten sich im vergangenen Jahr an.


Von Manfred Horn

So geht der Gebrauch von Kondomen nach einer aktuellen Untersuchung des Robert-Koch-Instituts stetig zurück. Befragte mit mehreren Sexualpartnern benutzten im vergangenen Jahr nur noch 78 Prozent Kondome, 2001 waren es noch 83 Prozent. Zu Beginn neuer Sexualbeziehungen nutzen nur noch 73 Prozent der Alleinlebenden unter 45 Jahren Kondome, im Jahr 2000 waren es noch 78 Prozent. Der gleiche Trend bei den Urlaubsflirts: Nur noch 73 Prozent im Jahr 2003 beim Sex mit Urlaubsbekanntschaften Kondome, 2001 waren es 79 Prozent.

Die rückläufige Entwicklung beim Schutzverhalten kommt auch in sinkenden Absatzzahlen der Kondomhersteller zum Ausdruck. Nachdem im Jahr 2000 noch 207 Millionen Kondome verkauft wurden, sank diese Zahl im Jahr 2003 auf 189 Millionen. »Die Hinweise darauf, dass die HIV-Epidemie auch in Deutschland eine neue Dynamik erhalten könnte, mehren sich«, stellt das Robert-Koch-Institut in seinem Halbjahresbericht fest. Das Berliner Institut erhebt im Auftrag des Bundes die Gesundheitsdaten der Bevölkerung.

Bei der Anzahl und Zusammensetzung der im ersten Halbjahr 2004 neu diagnostizierten und bis zum 30. Juni 2004 gemeldeten HIV-Infektionen setzt sich der seit einem halben Jahr beobachtete Trend in abgeschwächter Form fort: Die Zahl der neu diagnostizierten HIV-Infektionen bei Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten steigt verglichen mit dem ersten Halbjahr 2003 deutlich an, bewegt sich aber verglichen mit dem zweiten Halbjahr 2003 auf etwa demselben Niveau.

Prozentual am deutlichsten, wenngleich auf niedrigem Niveau, nimmt die Zahl der Erstdiagnosen bei schwulen Männern in den östlichen Bundesländern zu. In den fünf neuen Bundesländern könnte sich nach Einschätzung des Instituts in diesem Jahr die Zahl der HIV-Erstdiagnosen bei schwulen Männern mit wechselnden Partner gegenüber dem Vorjahr verdoppeln. In der ehemaligen DDR hat AIDS-Schock der 1980er Jahre nicht gegeben, ein wesentlicher Grund, warum Menschen aus den ostdeutschen Bundesländern sorgloser mit dem AIDS-Risiko umgehen. Aber auch in Bielefeld kommen wenig junge Schwule zur Beratung: Sie fühlen sich schlicht nicht betroffen.