Webwecker Bielefeld: Film über Zwangsarbeiterbesuch (21.06.2006)

Film über Zwangsarbeiterbesuch (21.06.2006)






Herzliche Gastgeschenke: Oberbürgermeister Eberhard David dürfte nach dem Empfang drei Kilo schwerer geworden sein




Von Manfred Horn

Es war eine aufregende Woche im September 2004, für die Zwangsarbeiter, aber auch für diejenigen, die das Besuchsprogramm in Bielefeld organisierten. Nach längerem Briefkontakt waren 23 ehemalige Zwangsarbeiter – »Ostarbeiter«, wie die Nationalsozialisten sie nannten – nach Bielefeld gereist. Offiziell eingeladen waren sie von der Stadt.

Nun, fast zwei Jahre später, ist ein 45-minütiger Film entstanden, der diese Besuchswoche dokumentiert. »Erinnern und Begegnen«, so der Titel, zeigt chronologisch Momente einer Reise in die Vergangenheit. Entstanden ist der Film in einer Menge ehrenamtlicher Arbeit aus 14 Stunden Filmmaterial. Mit einer Amateurkamera gedreht und zu Hause eingesprochen, ist vor allem durch die Arbeit von Fabian Waltersdorf ein Stück sehenswerte Dokumentation über ein für Bielefeld historisches Ereignis entstanden. Nie zuvor war eine Gruppe Zwangsarbeiter aus der ehemaligen Sowjetunion. Und es wird wohl auch das letzte Mal gewesen sein, da die Gäste alt sind. Schon in den knapp zwei Jahren seit dem Besuch sind einige aus der damaligen Gruppe verstorben.


Weißes Tuch für sauberen Weg

Der Film beginnt herzlich: Ein Bus rollt in die Stadt und spuckt ein Haufen alter Männer und Frauen aus. Mitglieder und Freunde der Bielefelder Sektion des Vereins ›Gegen Vergessen, für Demokratie‹ stehen vor dem Hotel bereit: Da wird gedrückt und der eine oder andere Rollstuhl aufgeklappt. Neben aller Schwere, die das Thema dem Film vorgibt, finden sich auch komische Elemente. Als Oberbürgermeister Eberhard David die Gruppe empfängt, verwandelte er sich vom anzuggestärkten Stadtoberhaupt einer deutschen Mittelstadt in ein wandelndes Museum osteuropäischer Volkskunst: Denn die Gäste hatten allerlei mitgebracht: Da wurden ihm aus Holz geschnitze und ziemlich dunkel gebeizte Raubvögel überreicht. Oder aber ein selbstgebackenes Brot. Schließlich zierte ein weißes Tuch, »damit ihr Weg immer so sauber bleibt wie dieses Tuch«, wie die Schenkerin es formulierte. Und Wladimir Timofejew wünschte dem Oberbürgermeister gleich auch mal einen erfolgreichen Wahlkampf.

Der Film zeigt aber auch die Reise durch die Vergangenheit: Die Gruppe machte sich auf zu den Orten, wo sie vor über 50 Jahren gegen ihren Willen arbeiten mussten. Arntzen Landbau gibt es längst nicht mehr, dennoch ist auf dem Gelände einiges wiederzuerkennen. Schwieriger wird bei Dürrkopp. Als die Gruppe auf dem Gelände des heutigen BAJ eintrifft, kann sich diejenigen, die damals hier arbeiteten, nur schwer orientieren. Ein alter Plan hilft, zu erahnen, wo damals was stand. Zuviel hat sich seitdem verändert. Die Gruppe besuchte auch das Gelände der ehemaligen Friedrich-Wilhelms Bleiche in Brackwede. Die Zwangsarbeiter verarbeiteten damals Stärke für die Bleiche. Da ist ausgehungert waren, kamen sie auf die Idee, die Stärke zu essen.


Über 16.000 Zwangsarbeiter waren in Bielefeld im Einsatz, 550 starben während des Einsatzes, weil sie von Bomben getroffen wurden oder schlechte Ernährung sie erkranken und schließlich sterben ließ. So nimmt der Film die Zuschauer auch mit an Orte des Gedenkens auf dem Sennefriedhof und den Johannisberg. Der Film eignet sich, in der politischen Bildung einzusetzen. Wer den Film ausleihen möchte, kann sich mit dem Verein ›Gegen Vergessen, für Demokratie‹ in Verbindung setzen. Die russische Fassung des Films ist bereits an die Besucher in der Ukraine, in Weißrussland, Lettland und Russland gegangen.


Der Film wird auch im Bielefelder Bürgerfernsehen, Kanal 21, ausgestrahlt: Am 14. Juli um 19 Uhr und dann nochmals am 15. und 16. Juli, jeweils 18 Uhr







Rekonstruktion an Hand alter Pläne: Die Zwangsarbeiter suchten die Orte auf, an denen sie knechten mussten