Webwecker Bielefeld: »Ignoranz der kommunalen Bürgerbeteiligung« (02.08.2006)

»Ignoranz der kommunalen Bürgerbeteiligung« (02.08.2006)



Auf heftige Kritik stößt der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung zum Ausbau der Detmolder Straße bei der Bürgeriniative ›Sichere Detmolder Straße‹: »Die Bezirksregierung hat die detaillierten und gut begründeten Vorschläge von mehr als 1.100 Bürgerinnen und Bürgern, die in einer zweitägigen Anhörung im November 2004 erörtert wurden, vom Tisch gewischt«, erklärt Rita Stuke von der Bürgerinitiative. Praktisch alle Bürgereinwendungen seien abgelehnt worden, lediglich zwei kleine Änderungen bei der Anlage von Grundstückszufahrten wurden vorgenommen. »Was als Abbau von Bürokratie verkauft wird, ist eher ein Abbau von Bürgerbeteiligung«.

Die BürgerInneninitiative zeigt sich verwundert, wie »oberflächlich« die Planfeststellung von Seiten der Bezirksregierung Detmold durchgeführt wurde. Die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses sei von der Stadt Bielefeld zudem mitten in die Sommerferien gelegt worden, was den Eindruck hinterlasse, als solle die Öffentlichkeit möglichst ausgeschlossen werden. Dabei ruhte der Plan zuvor 15 Monate lang bei der Landesregierung in Düsseldorf, dort ohne ein Ergebnis. Jetzt, nachdem die Bezirksregierung die Zuständigkeit für dieses Verfahren erhalten hat, sei das Verfahren innerhalb von drei Monaten von der Bezirksregierung Detmold »auf Biegen und Brechen« durchgezogen worden. In einer Pressemitteilung schreibt die Bezirksregierung: »Da die Finanzierung der Baumaßnahme gesichert ist, kann mit ihrer Realisierung durch die Stadt Bielefeld nun zügig begonnen werden.«

Im Planfeststellungsbeschluss räumt die Bezirksregierung ein, dass die Grenzwerte für Feinstaub auch nach dem Umbau weiterhin überschritten werden. Die unzulässig hohe Luftbelastung könnte dann aber »mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung ... vermieden werden« heißt es im Beschluss. Diese Ausführungen stünden aber im Gegensatz dazu, dass die Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl die Aufstellung eines Aktionsplans zur Luftreinhaltung für die Detmolder Straße ausgesetzt hat. Mit Spannung erwartet die Bürgerinitiative nun die Entscheidung über die Klage eines Anwohnersauf einen Aktionsplan. Sie fällt in den nächsten Wochen.



Feigenblatt Bürgerbeteiligung


Ein Kommentar von Manfred Horn

Politiker aller Parteien nehmen das Wort der »Bürgerbeteiligung« gerne in den Mund, besonders vor den Wahlen. Wenn es aber darauf ankommt, wird die Meinung vieler Bürger einfach ignoriert. Der Umbau der Detmolder Straße ist ein gutes Beispiel: Jahrelang kämpfen Stadt und Anwohner um den »richtigen« Umbau, der sich grob in zwei Richtungen trennt: Die einen wollen eine reine Autostraße, die anderen wollen, dass künftig auch Fußgänger und Radfahrer an der Detmolder Straße eine Überlebenschance haben.

Die zahlreichen Einwendungen von Anwohnern hat die Bezirksregierung in ihrem Planfeststellungsbeschluss ignoriert. Hier darf der Bezirksregierung unter Federführung einer FDP-Regierungspräsidentin durchaus politische Motivation unterstellt werden. Und die lautet: Vorfahrt für den Individualverkehr. Waren und Menschen müssen sich bewegen können, und dies geht am besten mit dem Auto. Diese Ansicht, die sich quer durch die meisten Parteien seit vielen Jahrzehnten in den Köpfen der meisten Politiker festbetoniert hat, ist kaum zu knacken. Dass sie angesichts von Umweltverschmutzung, Gesundheitsbelastung, steigenden Spritpreisen und sinkender Einwohnerzahl längst nicht mehr zeitgemäß ist, spielt offenbar keine Rolle.

Viel entscheidender aber ist, dass hier zum x-ten Mal der Glaube in demokratische Mitwirkungsinstrumente untergraben wird. Die Beteiligung der Bürger scheint immer nur so weit zu reichen bis höhere Interessen, in der Regel der Wirtschaft, berührt werden. Zurecht fragt sich die ›Bürgerinitiative Sichere Detmolder Straße‹ nun, was die ganze Bürgerbeteiligung eigentlich solle. Da schreiben sich Anwohner die Finger wund und machen Alternativvorschläge, nur um zu erfahren, dass sie genauso gut in der Nase hätten bohren können. Vulgärer ausgedrückt, handelt es sich um eine große Verarschung. Und die trägt dazu bei, dass die Politik, so sie denn überhaupt noch Glaubwürdigkeit besitzt, künftig noch weniger ernst genommen wird. Wenn Bürger merken, dass ihre Beteiligung nicht erwünscht oder nur als Alibi genommen wird, werden sie sich weiter abwenden vom bestehenden politischen System.