Webwecker Bielefeld: Billige Preiserhöhung? (01.11.2006)

Billige Preiserhöhung? (01.11.2006)




Von Mario A. Sarcletti

Am 1. Oktober beginnt das »Gaswirtschaftsjahr«. Auch 2006 nutzten viele Energieversorger die Gelegenheit, die Preise für Erdgas zu erhöhen. Auch die Kunden der Bielefelder Stadtwerke müssen jetzt mehr bezahlen, 0,38 Cent teurer wird die Kilowattstunde Gas. Damit stieg der Preis um durchschnittlich sieben Prozent. Der Bielefelder Musterhaushalt verbraucht jährlich 25.000 Kilowattstunden, pro Monat schlägt damit die Preiserhöhung mit 9 Euro zu Buche. Betroffen sind viele, nach Angaben der Stadtwerke halten sich sechzig Prozent der Haushalte mit Gas warm.

Wie immer wird von den Energieversorgern die Ölpreisbindung des Gaspreises als ein Grund für die Preiserhöhung genannt. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, klettert der Gaspreis mit dem für Öl. Dass der Ölpreis in den letzten Monaten gesunken ist, zählt nicht. »Die Entwicklung des Ölpreises schlägt erst mit sechs bis sieben Monaten Verspätung durch«, erklärt Stadtwerke-Sprecherin Birgit Jahnke. Und im März stieg der Ölpreis eben an, jetzt folgen die Gaspreise dem damaligen Trend.

Immer mehr Kunden wollen aber den stetigen Preisanstieg nicht hinnehmen, da er für sie nicht nachvollziehbar ist. Sie halten die Erhöhungen für »unbillig«, legen Widerspruch gegen sie ein und kürzen ihre Zahlungen an die Energieversorger oder zahlen die geforderte Summe nur unter Vorbehalt. Sie berufen sich dabei auf Paragraph 315 des BGB und fordern die Versorger auf ihre Kalkulation offen zu legen und zu beweisen, dass die Preiserhöhung »billig« ist. In Bielefeld gibt es laut Birgit Jahnke aber nur ein knappes Dutzend solcher Gaspreisrebellen.

Dabei haben die gar nicht so schlechte Chancen, mit ihrer Strategie durchzukommen. Zahlreiche Gerichtsurteile haben in den letzten Jahren den Verbrauchern den Rücken gestärkt. So lehnte im Juni das Oberlandesgericht Karlsruhe die Zahlungsklage eines Gasversorgers ab, weil dieser seine Preiskalkulation »nicht rechtzeitig und nicht umfangreich genug« offen gelegt hatte. Auch hier hatte ein Kunde die Zahlungen an den Energieversorger gekürzt. Das Argument des Unternehmens, dass seine Preise unter dem Durchschnitt lägen, ließ das Gericht nicht gelten, »da es denkbar ist, dass sämtliche Preise nicht der Billigkeit entsprechen«. Das Urteil freut naturgemäß den Vorsitzenden des Bundes der Energieverbraucher, Aribert Peters: »Allen Verbrauchern steht das Recht zu, die Zahlung überhöhter Preise zu verweigern«, findet Peters und verweist darauf, dass dies auch der Bundesgerichtshof bestätigt hat.

Auch Hans-Werner Elbracht aus Steinhagen hat dieses Recht für sich in Anspruch genommen. Er widersprach im Dezember 2004 der von den »Gemeindewerken Steinhagen« geforderten Preiserhöhung und zahlte nur noch unter Vorbehalt. Als der Gaspreis zum 1. Januar 2006 erneut um zwanzig Prozent steigen sollte, teilte er der Gemeinde mit, dass er künftig nur noch den Preis zahlen werde, der zum 31. Juli 2004 galt. Plus zwei Prozent, einen stärkeren Preisanstieg hielt er nicht für nachvollziehbar.


Gashahn zu?

Das städtische Unternehmen packte daraufhin die große Keule aus. »Sollten Sie die Forderung nicht innerhalb der oben genannten Frist (14 Tage) ausgleichen, werden wir die Einstellung der Lieferung ohne weitere Benachrichtigung veranlassen«, teilte man Hans-Werner Elbracht mit. Der ließ sich von der Drohung aber nicht erschrecken. »Ich bin im Bund der Energieverbraucher, war gut informiert und wusste, dass ich da ruhig bleiben kann«, erinnert sich Elbracht.

So wusste er auch, dass die Drohung, ihm das Gas abzudrehen, nicht nur leer, sondern sogar illegal war. Er nahm sich einen Anwalt, der sich auf das Gebiet spezialisiert hat. Der teilte den Gemeindewerken mit: »Bekanntlich sind Forderungen bis zum Nachweis der Billigkeit durch ihr Unternehmen nicht fällig. Sie haben deswegen sowohl Abschaltungen als auch deren Androhung zu unterlassen«. Die Unterlassungserklärung bei einer Konventionalstrafe von 10.000 Euro führte zu neuen Tönen von Seiten der Gemeindewerke Steinhagen. »Wir bedauern die Ihnen entstandenen Unannehmlichkeiten. Wir übernehmen Ihre Rechtsanwaltskosten«, habe ihm das Unternehmen schließlich mitgeteilt, berichtet Elbracht. »Somit bezahle ich nach wie vor den Gaspreis vor dem 31. Juli 2004, 57 Prozent weniger als der derzeitige Preis«, freut sich der Steinhagener. Bei einem Verbrauch von 16.000 Kilowattstunden pro Jahr spart er damit satte 39 Euro monatlich.

Elbracht ist in der Region nicht der einzige »Rebell«. Ein Zentrum der Bewegung ist Paderborn. Der dortige Energieversorger ist ein ganz großer der Branche und heißt Eon. Der hat fünfzehn Kunden verklagt, die ihre Abschlagszahlungen zum 1. Oktober 2004, als mal wieder eine Preiserhöhung anstand, gekürzt haben. Aber die Mühlen der Justiz mahlen in diesem Fall extrem langsam. Erst Mitte Oktober 2006 ließ das Kartellgericht in Dortmund die Klage zu. Der Anwalt der Beklagten findet aber, dass dies kein Fall für dieses Gericht sei, da es nicht um Kartellfragen gehe, sondern eben darum, ob die Preiserhöhung »billig« gewesen sei. Er möchte den Fall lieber vor dem Landgericht Paderborn sehen. Wohl erst im kommenden Jahr wird das Oberlandesgericht Düsseldorf über die Zuständigkeit entscheiden. Sollte das Verfahren Ende 2007 nicht abgeschlossen sein, müsste Eon Westfalen wegen Verjährung jeden einzelnen Kunden verklagen, der seine Zahlungen gekürzt hat. Das waren mehr als 1000.

 

So etwas wie ein Termingeschäft

Einige Energieversorger antworten auf die Gaspreisrebellen mit einem neune Angebot. Gegen eine einmalige Aufschlagszahlung werden Anstiege des »Beschaffungspreises« nicht weitergereicht. Bei den Stadtwerken Bielefeld heißt das Angebot »Gasofix«. Für 39,90 Euro wird den Kunden das Gas für ein Jahr zu dem Preis geliefert, der am 1. Oktober 2006 galt. Birgit Jahnke von den Stadtwerken bestreitet aber, dass das Angebot eine Reaktion auf die Gaspreisrebellen sei. »Wir hatten dieses Angebot bereits für gewerbliche Kunden und wollten es jetzt auch Haushalten zur Verfügung stellen«, erklärt sie. 150 bis 200 Kunden haben nach ihren Angaben das Angebot angenommen, »eher Kunden mit höherem Gasverbrauch«.

»Da wäre ich vorsichtig«, meint Hans-Werner Elbracht zu dem Angebot. Er hofft, dass durch die Gaspreisrebellen die Preise purzeln. »Es geht der Protestbewegung ja darum, allgemein gegen die überhöhten Gaspreise vorzugehen«, beschreibt er das Ziel. Wenn die Gaspreise fallen, hätten die Preisgebundenen Pech gehabt. »Gasofix« also eher ein Fall für Zocker? »Das ist so etwas wie ein Termingeschäft«, räumt Birgit Jahnke ein. Interessant sei der Tarif vor allem für Verbraucher, die genau kalkulieren müssten.

Für Energieverbraucher, die langfristig nicht »zum großen Vorteil der Konzerne restlos abgezockt« werden wollen, wie es ein Leserbriefschreiber in der Neuen Westfälischen anlässlich der jüngsten Preiserhöhung formulierte, könnte ein anderes Modell interessanter sein als Gasofix. Genervte Verbraucher in Bremen haben eine Genossenschaft gegründet und wollen sich selbst mit Gas versorgen. Und Bremen ist nah. Schließlich halten die dortigen Stadtwerke fast die Hälfte der Anteile an den Stadtwerken Bielefeld.


Weitere Informationen gibt es unter anderem unter http://www.gaspreise-runter-owl.de