Webwecker Bielefeld: Wie steht es um das Wohl des Kindes? (08.11.2006)

Wie steht es um das Wohl des Kindes? (08.11.2006)




Von Manfred Horn

Die Fraktion der Grünen fragt in der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 8. November nach dem Kindeswohl. Anlass sind die immer wieder kehrenden Vernachlässigungen von Kindern in Deutschland. Alleine in 2005 wurden bundesweit 2905 Misshandlugnen und 1178 Fälle von Vernachlässigungen regisitriert, Experten gehen zugleich von einer Dunkelziffer von 90 Prozent aus.

Zuletzt erregte der Tod des zweijährigen Kevin in Bremen bundesweit Aufmerksamkeit. Das Kind blieb in der Obhut seiner drogenabhängigen Eltern, obwohl es Hinweise auf Vernachlässigungen und Misshandlungen gab. Als die Mutter starb, kam ihr Lebensgefährte in eine Psychatrie und Kevin in ein Kinderheim. Nach neun Tagen holte ihn der wieder aus der Psychatrie entlassene Vater ab. Das Heim gab dem Vater das Kind mit, obwohl das Kind mit gebrochenen Knochen und Untergewicht eingeliefert wurde. Das Jugendamt hatte so entschieden. Wenige Monate später, im Oktober, brach die Polizei die Wohnungstür des Vaters auf und fand Kevin tod im Kühlschrank.

Eine solch schreckliche Geschichte hat sich in Bielefeld bisher nicht ereignet. Die Grünen wollen nun wissen, wie gut das Jugendamt aufgestellt ist, damit auch in Zukunft in Bielefeld solche Kinder geschützt werden. Im Dienstleistungszentrum ›Jugend, Soziales, Wohnen‹, in dem das Jugendamt eingegliedert ist, hat es in den vergangenen Jahren verordenete Einsparungen gegeben – eine Parallele zu der Situation in Bremen. Dort geriet die Leitung des Jugendamtes nach dem Mord an Kevin auch unter Druck, weil sie auf die Mitarbieter enormen Spardruck ausgeübt haben soll. Als Konsequenz aus dem Mord sind in Bremen vorübergehend neun neue Mitarbeiter beim Jugendamt eingestellt worden.

Alleine für 2006 ergibt sich in Bielefeld im Bereich der wirtschaftlichen Jugendhilfe ein mögliches Einsparvolumen von zwei bis drei Millionen, hat die Verwaltung errechnet. Das freut den Stadtkämmerer, dürfe aber nicht zu Lasten der Kinder gehen, sagen die Grünen.


Im Zweifel gegen die Elternrechte

»Das Kindeswohl ist dabei gegen die Elternrechte abzuwägen«, sagt Klaus Rees, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Rat. Im Zweifel hat der Staat durchaus Möglichkeiten, einzugreifen. Kinder werden »in Obhut genommen«, wenn eine Vernachlässigkeit festgestellt wird. Sie werden für einen begrenzten Zeitraum bei einer Pflegefamilie untergebracht. Zeigt sich, dass der oder die Erziehungsberechtigten nicht dauerhaft für das Kind sorgen können, kann das Jugendamt das Familiengericht anrufen, welches den Eltern das Sorgerecht entziehen kann. Dann wird das Kind in einer stationären Einrichtung untergebracht. »Wir wollen bei diesem Thema mehr Transparenz und Öffentlichkeit herstellen«, sagt Matti Bolte von der grünen Ratsfraktion. So seien in Bielefeld bisher nicht die Fallzahlen bekannt, wiewiele Kinder in Obhut genommen werden.

 

Bessere Perspektive für geduldete Kinder und Jugendliche

Ebenfalls im Jugendhilfeausschuss fragen die Grünen auch nach der Situation geduldeter Kinder und Jugendlicher in Bielefeld. Sie sind, wie ihre Eltern auch, ständig von Abschiebung bedroht und erhalten immer wieder nur zeitlich eng befristete Aufenthaltsgenehmigungen. Unbekannt ist ihre genaue Zahl, unter anderem dies wollen die Grünen wissen. Seit gut zwei Jahren besteht zwar Schulpflicht für geduldete Kinder, eine Ausbildung dürfen sie aber bis heute nicht anfangen. Am 16. November kommt die Innenministerkonferenz zusammen, unter anderem um zum wiederholten Mal über eine Regelung der Duldung zu diskutieren. Möglich, dass es zu einer Altfallregelung kommt. Dies würde bedeuten, dass Menschen, die vor einem bestimmten Stichtag in der Bundesrepublik als Geduldete leben, einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen. »Wir wollen mit unserem Antrag auch auf die Situation der Geduldeten aufmerksam machen«, sagt Klaus Rees.

Ob es eine bundesweite Neuregelung gibt und wie sie ausfällt, ist zur Zeit noch offen. Die Landesregierung Bayern will beispielsweise, das Flüchtlinge aus dem Irak ausgenommen werden. Das Bundesamt für Migration ist seit der Entmachtung Saddam Husseins vor drei Jahren sogar dabei, irakischen Flüchtlingen, die als solche auch vom Bundesamt anerkannt wurden, ihren Status wieder abzuerkennen.Davon betroffen sind bisher 18.000 Flüchtlinge aus dem Irak.

Von der Neuregelung des Bleiberechts verspricht sich die grüne Ratsfraktion, dass das Arbeitsverbot fällt. »Es heißt immer, Flüchtlinge liegen uns auf der Tasche. Gleichzeitig ist es aber so, dass sie hier gar nicht arbeiten dürfen«, sagt Rees und fügt an: »Da geht ein großes gesellschaftliches und ökonomisches Potential verloren«. Die Nachrangigkeit der Beschäftigung wolle man aber nicht antasten. Damit ist gemeint, dass Flüchtlinge bei der Job-Suche nur dann zum Zug kommen, wenn kein Deutscher oder EU-Bürger ihn machen will. »Da können wir gar nicht ran, das ist EU-weit so festgelegt«, erklärt Rees.