Webwecker Bielefeld: Zum Wohl des Kindes (15.11.2006)

Zum Wohl des Kindes (15.11.2006)



»In der Regel gehen wir davon aus, dass Eltern und Kinder zusammen gehören.« Andrea Buchwald erklärt, worum es in ihrer Arbeit geht. »Wir wollen die Elternfunktion stützen. Aber der Schwerpunkt liegt auf dem Wohl des Kindes.«

Die 37-Jährige ist Mitarbeiterin in der sozialpädagogischen Familienhilfe des Evangelischen Gemeindedienstes im Evangelischen Johanneswerk. Ihr Arbeitsalltag: Sie hilft Familien, die schwerwiegende Probleme haben und die Erziehung ihrer Kinder nicht in den Griff bekommen. Das bedeutet Beratungsgespräche, Hausbesuche, Hilfestellungen. So können sich die Sozialarbeiterinnen ein Bild von der Familie und ihrer Situation machen. »Wir sind auch Vermittler zwischen der Familie und Institutionen, wie Schulen oder Ärzten«, sagt Buchwald. Dabei geht es nicht nur darum, den Eltern den Rücken zu stärken, sondern auch die Verhältnisse zu beobachten und Gefahren zu erkennen. »Das ist immer auch eine Gratwanderung.«

Manchmal merken die Mitarbeitenden des Gemeindedienstes, dass ihr Angebot nicht ausreicht, um die Probleme der Familien einzugrenzen. »Zwar werden die Eltern immer mit einbezogen, aber in erster Linie gilt: Was brauchen die Kinder«, erklärt die 48-jährige Carola Wolf, Abteilungsleiterin Erzieherische Hilfen. Sind Eltern mit der Erziehung überfordert, kann auf teilstationäre Angebote wie Tagesgruppen oder stationäre Angebote wie Pflegefamilien oder Wohngruppen zurückgegriffen werden. So können die Kinder engmaschiger betreut werden. Der Gemeindedienst schaltet sich dann erneut ein, wenn die Kinder wieder zu Hause einziehen sollen. Den Mitarbeitenden des Gemeindedienstes ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen. »Wir sind Netzwerker«, erklärt Wolf. Wenn die Angebotspalette ausgeschöpft ist, werden andere Dienste eingeschaltet oder die Behörden informiert. »Es gibt einen Punkt, an dem wir nicht mehr schweigen«, betont Buchwald. »Wenn das Kindeswohl gefährdet ist, müssen wir das Jugendamt einschalten.« Allerdings werden die Eltern über diesen Schritt vorher informiert: Transparenz ist wichtig.

Oft wird die Abteilung ›Erzieherische Hilfen‹, zu der die sozialpädagogische Familienhilfe gehört, vom Jugendamt oder anderen Fachdiensten kontaktiert, mit der Bitte, sich um eine Familie zu kümmern. Manchmal kommen Familien aber auch von selbst, wenn sie erkennen, dass sie Schwierigkeiten haben. In jedem Fall ist es wichtig, eine gute Arbeitsbeziehung herzustellen. Wenn das gelingt, gibt es häufig eine Verbesserung im Alltag der Familien. Kleine Erfolgserlebnisse helfen, die Motivation zu steigern. »Uns ist es wichtig, dass wir die Familien nicht bevormunden«, sagt Andrea Buchwald. »Sie sollen merken, dass es ihnen hilft, wenn wir kommen. Wir erarbeiten Ziele, suchen nach neuen Lösungswegen und probieren diese gemeinsam aus.«

Zur Abteilung ›Erzieherische Hilfen‹ gehört auch die ›Jugend- und Familienhilfe‹ für Familien mit ganz unterschiedlichen Fragen und Problemen. »Das kann zum Beispiel heißen, sie durch den Behörden-Dschungel zu begleiten«, erklärt Wolf. Hier kann sich jede Familie melden, die Hilfe braucht. »Jeder hat das Recht auf Unterstützung«, meint Wolf.


Knappe Mittel erschweren die Arbeit

Trotzdem macht sich auch im Evangelischen Gemeindedienst deutlich bemerkbar, dass in der Sozialarbeit die finanziellen Mittel gekürzt werden. »Dringende Fälle werden natürlich vorgezogen«, erklärt Wolf. »Trotzdem würden wir gern präventiver arbeiten. Weil die Beratung dann nicht mehr so lange dauert, würde sich das auch rechnen.« Der Gemeindedienst hätte gerne mehr Kapazitäten. »Für Familien ist es schlecht, in der Warteschleife zu hängen. Wenn Sie ein paar Monate warten müssen, heißt das auch, dass die Probleme ein paar Monate lang nicht angepackt werden«, weiß Wolf. Obwohl die Familien aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage immer größere Probleme haben, werden die Mittel gekürzt. Andrea Buchwald bringt es auf den Punkt: »Die Schere geht immer weiter auseinander«.