Webwecker Bielefeld: Die Blauen Engel des Bahnsteigs (06.12.2006)

Die Blauen Engel des Bahnsteigs (06.12.2006)



(v.l.n.r.) Hannah Niedenführ und Svenja Herschhausen helfen gerne. Foto: Werner Krüper


Ihre Altersgenossen spielen nach der Schule am Computer, gehen in Sportvereine oder treffen sich mit Freunden. Svenja Herschhausen (15) und Hannah Niedenführ (16) gehen einmal pro Woche in die Bahnhofsmission. Sie helfen Reisenden und stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Immerhin jeder dritte Deutsche über 14 Jahren, also rund 23 Millionen, arbeitet unentgeltlich für einen guten Zweck – oftmals wenig beachtet vom Umfeld. Der Gedenktag der Vereinten Nationen am 5. Dezember will daher die Anerkennung für das Ehrenamt stärken.

Svenja und Hannah erzählen nur wenigen ihrer Mitschüler von ihrer Arbeit in der Bahnhofsmission in Bielefeld. Diese wird gemeinsam vom Evangelischen Gemeindedienst im Johanneswerk und der Caritas getragen. Umso mehr Dankbarkeit und Anerkennung erfahren sie von den Menschen, denen sie helfen. Viele der Hilfesuchenden sind schon alte Bekannte, man kennt sich und tauscht Neuigkeiten aus. »Ich habe hier viele interessante Leute kennen gelernt«, erzählt Hannah. Zumeist sind es ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen, die Unterstützung beim Bahnsteigwechsel oder Kofferschleppen brauchen – Alltag in der Bahnhofsmission.

Obwohl beide Mädchen schon länger dabei sind, gibt es immer wieder Situationen, die sie noch lange danach beschäftigen. Die verzweifelte junge Mutter zum Beispiel, der das Portemonnaie gestohlen worden war und die nicht einmal mehr Kleingeld um zu telefonieren. Eine Albtraumsituation für die meisten, die nicht einfacher dadurch wurde, dass sie mit einem schreienden Kleinkind am Bahnhof in einer fremden Stadt stand. Doch Svenja und ihr Teampartner konnten der weinenden Frau zusammen helfen. Polizei rufen, Anzeige erstatten, EC-Karte sperren, DB-Service informieren, die Großmutter anrufen und eine neue Fahrkarte besorgen – selbst einen Schnuller für das Baby kauften sie.

Auch Hannah kann nicht alles Erlebte sofort abhaken. Sie denkt noch oft an ein Mädchen – genauso alt wie Hannah selbst –, das von Zuhause abgehauen war und nun auf der Straße stand. Hannah half mit, das Jugendamt zu verständigen und das Mädchen sicher unterzubringen. Während sie das erzählt, kommt ein alkoholisierter Mann herein, fragt nach übriggebliebenen Broten. Bahnhöfe sind nicht nur Knotenpunkte für die Reisenden, sondern auch Anlaufstelle für viele Obdachlose. Probleme habe Hannah damit nicht, erzählt sie.

»Unsere Mitarbeiter sind immer in Zweier-Teams unterwegs«, sagt Marcel Bohnenkamp, Leiter der Bahnhofsmission. Ein jüngerer bekommt dabei immer einen älteren Kollegen zur Hand. »So können sich Kompetenzen ergänzen. Die Jungen bringen zwar mehr Schwung und die größere körperliche Kraft mit, aber sie profitieren von der Lebenserfahrung der Älteren. Deshalb sind für uns beide Ehrenämter – das junge und das alte – wichtig.«