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Zweierlei Israel (Diskussion mit Moshe Zuckermann, Hermann L. Gremliza und Thomas Ebermann; 23.04.2003)




Gemeinsamer Sprechort Universität, unterschiedliches Verständnis von der Sache: Thomas Ebermann, Moshe Zuckermann und Hermann L. Gremliza




Am Dienstag kamen Hermann L. Gremliza, Thomas Ebermann und Moshe Zuckermann in der Bielefelder Uni zusammen, um über den Zustand Israels und das Israel-Palästina-Problem zu diskutieren. Heraus kamen zwei unterschiedliche Sichtweisen




von Manfred Horn

Am 22. April kam in der Bielefelder Uni auf Einladung der Georg-Weerth Gesellschaft geballte Kompetenz zusammen, um Fragen zu Israel zu beantworten. Zweierlei Israel wurden sichtbar – einmal eine strukturanalytische Innensicht durch Mosche Zuckermann, Direktor des Instituts für Deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv – und zum zweiten die deutsche Außensicht, vertreten durch Thomas Ebermann, bis zu seinem Ausstieg bei den Grünen Ende der 1980er Jahre einer der führenden Vertreter des ökolinken Flügels der Partei, heute Publizist und Pferdeliebhaber. Ihm zur Seite stand Hermann L. Gremliza, streitbare Ikone der Linken und seit vielen Jahren Herausgeber der Zeitschrift ›Konkret‹.

Über 300 Interessierte konnten spannenden Äußerungen folgen, die unterschiedliche Sichten und Interessen deutlich machten. Während Ebermann und vor allem Gremliza aus Sicht der Linken in Deutschland argumentierten, waren für Zuckermann vor allem innerisraelische Entwicklungen von Bedeutung. Gremliza betonte, er sehe die Existenz Israels von außen bedroht. Unter anderem durch antisemitische Tendenzen: »Antisemitismus hat in Deutschland 1945 nicht aufgehört. Es wurde nur ein anderer, schönerer Schein verbreitet«. Er behauptete, der Antisemitismus des Jahres 2003 sei mit dem von 1933 nicht zu vergleichen, weil der aktuelle wesentlich tiefer sitze: »Nicht ein einziger Jude konnte nach 1945 in Deutschland Minister werden«. Und: »Hätte Stoiber Friedmann als Minister in seinem Schattenkabinett gehabt, hätte Schröder die Wahl ohne Wahlkampf gewonnen«. Antisemitismus sei in Deutschland nicht nur verbreitet, sondern für die politischen Machthaber äußert funktional: Deutschland strebe die Vorherrschaft in der arabischen Region an.

Gremliza plädierte für eine Israel-Solidarität und unterstrich das Existenzrecht Israels. Zwei Punkte, die Zuckermann als unbedeutend bezeichnete. Er fordert keine Solidarität mit Israel, das Existenzrecht sei sowieso eine Selbstverständlichkeit und die Debatte darüber werde vor allem in Deutschland geführt. Zuckermanns Innensicht: Israel kann man ohne Palästina nicht denken. Die Gründung des Staates Israel 1948 sei ein erfreuliches Projekt gewesen, sei aber gleichzeitig die Katastrophe des palästinensischen Volkes. Inzwischen, auf Grund der politischen Entwicklung sei das Leben in Israel auch für die jüdische Bevölkerung eine Katastrophe: »Ein jüdischer, männlicher Jugendlicher hat die besten Chancen, das 21te Lebensjahr nicht zu erreichen«.

Zuckermann wandte sich gegen die neu aufkeimende Israel-Solidarität innerhalb der deutschen Linken. Eine Position, die vor allem »Anti-Nationale« vertreten und die bei der 1.Mai-Demonstration 2002 in Bielefeld zu handgreiflichen Auseinandersetzungen führte. »Mit blindem Pro-Israelismus tut man den Juden keinen Gefallen«, sagte Zuckermann. Aus Anti-Deutschland würde nicht Pro-Israel folgen. Er plädierte wiederholt dafür, statt sich in ideologischen Argumenten zu gefallen, die Wirklichkeit in den Blick zu nehmen.