Webwecker Bielefeld: israel02

Zweierlei Istrael (Teil 2)



Ein Teil der Wirklichkeit ist für Zuckermann die Instrumentalisierung des Holocaust durch die israelische Regierung mit ihrem Ministerpräsidenten Ariel Sharon. »Ich möchte die Instrumentalisierung zum Problem der Dekonstruktion machen«, sagte Zuckermann programmatisch. Der Holocaust erweise sich als universal einsetzbares Instrument, um sich gegen Kritik aus Europa zu verwehren. Sharon ordne sich damit in eine längere Geschichte ein, die mit der zionistischen Idee im 19. Jahrhundert begonnen habe. Die einfache Rechnung: Haben die Juden Angst vor Verfolgung, kommen sie nach Israel. Genau dort wollte die zionistische Bewegung sie hinhaben. Doch in der Geschichte Israels sei es dann zu Widersprüchen gekommen. Durch die Vernichtung von sechs Millionen Juden im Holocaust musste der neue Staat mit Menschen gefüllt werden, die nun nur noch zu einem kleinen Teil aus Europa kommen konnten. Notgedrungen warb man auch bei den orientalischen Juden für die Einwanderung in den neuen Staat. Diese wurden dann Bürger zweiter Klasse. Die ethnische Differenzierung – europäische Juden und orientalische Juden – führte gleichzeitig zu einer Klassengesellschaft, deren unteres Ende die orientalischen Juden bildeten und bis heute bilden. Heute kämen viele Menschen nicht mehr mit oder wegen einem zionistischen Hintergrund nach Israel, sondern aus anderen Gründen. Zuckermann zitierte einen Einwanderer: »Wir sind nicht aus Zionismus, sondern aus Leningrad gekommen«. Weitere Probleme des israelischen Staates sei der Konflikt zwischen Religion und Staat.

Obwohl die Strukturprobleme schon lange virulent seien, habe immer die »zionistische Käseglocke« darübergehangen. Die bediene sich vor allem eines Wir-erzeugenden Arguments: Das des Sicherheitsproblems. Inzwischen sei es fernab realer Bedrohung zu einer Fetischisierung der Sicherheitsfrage gekommen. Besiedlungspolitik in der Westbank werde mit theologischen Mustern betrieben, die Besiedlung sei »Gottes Wille«. Geht es so weiter, prognostiziert Zuckermann in einigen Jahrzehnten das Scheitern des zionistischen Projekts. Zumal sich bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt die meisten Juden der Welt dagegen entschieden hätten, in Israel zu leben. Und in Israel hätten Sharon und seine Partei einen »irreversiblen« Zustand in den besetzen Gebieten geschaffen, indem sie bereits viel in die Infrastruktur investiert haben. Eine Rückgabe der Gebiete sei in der nächsten Zeit wenig wahrscheinlich. Andererseits könne es nur eine rechte Regierung sein, die dieses angehe. Sie könne sich dann der Unterstützung der Opposition sicher sein.

Ebermann widersprach Zuckermann in seiner Analyse nicht, betonte aber den Unterschied des Sprechorts. Was Zuckermann über Israel sage, werde in Deutschland anders verstanden als in Israel. Für sich selbst zog Ebermann daraus die Schlussfolgerung, dass man in Deutschland nicht gegen die israelische Politik demonstrieren könne. »Solange in Deutschland die Demonstrationen gegen Möllemann kleiner sind als die pro-palästinensischen, geht das nicht«. Andererseits halte er auch nichts davon, Israel zu überhöhen: »So etwas ist nicht sehr haltbar«. Sein Vorschlag: Die Auseinandersetzung über die Konflikte in Israel und Palästina müssten geführt werden. Aber nicht auf der Straße, sondern in einem »seminaristischen Rahmen«. Seine Idee des Sprechorts konkretisierte er: Wer wie Zuckermann sage, der Staat Israel sei ein Kunstprodukt ohne Verfassung, könne damit in Deutschland die Konstruktion eines Unterschied zwischen »natürlich-organischen und gewaltfreien Staaten« wie Deutschland und gewalttätigen, weil künstlichen, wie Israel bewirken.