Webwecker Bielefeld: gusy01

»Betroffene dürfen Verkehrsmittel, die diesen Bereich passieren, nicht mehr benutzen« (Interview Gusy; 09.07.2003



Christoph Gusy
Gusy: Rasterfahndung ist Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung






Christoph Gusy ist Professor an der Universität Bielefeld, er lehrt und forscht in den Bereichen Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte. Im WebWecker-Interview äußert er sich kritisch zu den drei herausragenden Änderungen des Polizeigesetzes in NRW: Videoüberwachung, Rasterfahndung und Platzverweise







Interview: Manfred Horn


Das Innenministerium in NRW – namentlich Innenminister Fritz Behrens – wollte seit längerem eine Änderung des Polizeigesetzes. Die SPD setzte sich vergangene Woche schließlich durch. Herausragend sind die Veränderungen im Paragraphen §15a. Jetzt kann die Polizei an einem öffentlich zugänglichen Ort, an dem wiederholt Straftaten begangen wurden, Daten für zwei Wochen speichern beziehungsweise länger, wenn für Strafverfolgung notwendig ist. Einschränkungen: Genehmigungen der Videoüberwachung jeweils nur für ein Jahr, der Zeitraum kann aber beliebig oft verlängert werden. Und: Der Paragraph soll nach fünf Jahren überprüft werden. Wie bewerten sie dieses neue Gesetz?

Gusy: Dieses neue Gesetz enthält einige Änderungen, die schon vor dem rot-grünen Koalitionspoker in der Diskussion waren. Dabei ist die Tatsache, dass öffentliche Orte überwacht werden dürfen, gegenüber der alten Rechtslage praktisch unverändert. Wichtig ist jetzt, dass die Daten für 14 Tage gespeichert werden können, um die spätere Strafverfolgung zu ermöglichen. Diese Änderung entspricht weitgehend der Rechtslage in anderen Bundesländern. Sie enthält allerdings eine wichtige Neuerung insoweit, als jetzt die Aufzeichnungen nicht mehr bloß zur Steuerung des polizeilichen Einsatzverhaltens, sondern eben auch für andere Zwecke verwendet werden dürfen. Wichtig dabei ist vor allem, dass einzelne Personen herangezoomt und dadurch erkennbar gemacht werden können. Dies war nach der alten Rechtslage nicht vorgesehen.



Im alten Recht wurde ja auch von Straftaten von erheblicher Bedeutung gesprochen. Das ist jetzt geändert.

Das ist völlig richtig. Jetzt ist nur noch von »weiteren Straftaten« die Rede. Also es geht hier nicht mehr nur noch um bestimmte »erhebliche«, sondern um »weitere«. Von daher ist auch hier eine Änderung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass schon die alte Formulierung »erhebliche Straftaten« bei sehr vielen Straftatbeständen Beobachtungen zuließ. Zudem ist es so, dass man vorher oft gar nicht weiß, ob die Straftaten, die begangen werden, erheblich sein werden oder nicht. Von daher ist es so, dass die neue Rechtslage möglicherweise ehrlicher ist.



Gibt es juristische Bedenken? Ist der neue Paragraph im Konflikt zu sehen zu anderen Gesetzen?

Die neuen Änderungen werden aus unterschiedlichen Richtungen angegriffen. Dabei sind einige Angriffe berechtigter als andere. Insbesondere ist es so, dass hier durch die Beobachtung öffentlicher Orte viele Personen beobachtet werden, die ganz harmlos und völlig ohne Verwicklung in Kriminalität oder gar erhebliche Straftaten sind und die sich an den überwachten Orten aufhalten. Und: Möglicherweise sogar heranzoombar beobachtet. So dass also der polizeiliche Eingriff eine hohe Streubreite aufweist. Diese Streubreite wird jetzt dadurch erhöht, dass die Daten noch 14 Tage nach der Aufnahme aufbewahrt werden dürfen. Und zwar auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Strafanzeige vorliegt. Hierdurch wird in erheblicher Weise in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.