Webwecker Bielefeld: trips02

Geschaffen, um nicht zu funktionieren (Teil 2)



Auf Initiative skandinavischer Länder und einiger Entwicklungsländer wurden zwei Schutzklauseln in TRIPS aufgenommen: Erstens das Recht, Zwangslizenzen auf Arzneimittel zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu vergeben und zweitens die Möglichkeit von Parallelimporten. Bei Parallelimporten werden dieselben Medikamente des selben Anbieters dort gekauft, wo sie günstiger sind: Bietet zum Beispiel Bayer ein Medikament in Australien günstiger als in Deutschland an, darf ein WTO-Mitgliedsland in Australien einkaufen. Relevanter aber ist die Möglichkeit, Zwangslizenzen zu vergeben: Hierbei kann eine Regierung bestimmen, dass ein gesundheitlicher Notstand besteht und die Produktion von entsprechenden Medikamenten selbst in die Hand nehmen. Das WTO-Abkommen sieht noch andere Gründe für Zwangslizenzen vor, von denen beispielsweise die USA bereits über 100 Mal Gebrauch machten, ein Recht, dass sie armen Ländern verweigern wollen.

Genau darum ging es bei den Verhandlungen am Wochenende. Die Möglichkeit, Zwangslizenzen zu vergeben wurde dabei konkretisiert und mit Bedingungen versehen, die für Entwicklungsländer die Möglichkeiten, an kostengünstige Medikamente zu gelangen, zu einem langwierigen Verfahren machen. In den Verhandlungen ging es um die ärmsten Länder, um die ohne eigene Pharmaindustrie, denn diese müssen ein mit einer Zwangslizenz versehenes Medikament in einem Drittland herstellen lassen. Ob das mit TRIPS vereinbar ist, ist umstritten. Jetzt haben sich die Länder auf ein Verfahren geeinigt, das nicht funktionieren soll.









Die Ärztin Christiane Fischer ist seit 1998 Mitarbeiterin der BUKO-Pharma-Kampagne mit Sitz in Bielefeld. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist der globale Zugang zu unenentbehrlichen Medikamenten. Die BUKO-Pharma-Kampagne setzt sich für einen »rationalen Gebrauch von Medikamenten« ein und arbeitet in über 70 Ländern mit ÄrztInnen, PharmazeutInnen und VerbraucherInnengruppen zusammen.



Christiane Fischer
Skeptische Christiane Fischer: Die Pharmakampagne will ein Land auf dem Weg zu einer Zwangslizenz begleiten






WebWecker: Was kritisiert die BUKO-PharmaKampagne an dem Kompromiss?

Fischer: Er schadet den ärmsten Ländern. Nämlich denjenigen ohne Pharmaindustrie. Die Länder mit Pharmaindustrie betrifft die Vereinbarung nicht. Für diese wurde bereits bei der letzten WTO-Ministerkonferenz in Doha festgestellt, dass Zwangslizenzen innerhalb des TRIPS-Vertrages vorgesehen sind. Und zwar unter anderem, wenn schwerwiegende Gesundheitsprobleme auftreten. Diese Länder können beispielsweise AIDS-Medikamente billig nachproduzieren. Aber Staaten ohne Pharmaindustrie, beispielsweise Kenia, welcher keine ausreichende Pharmaindustrie hat, um selbst Medikamente herzustellen und damit auf das schwerwiegendes Gesundheitsproblem AIDS zu reagieren, betrifft dieser Kompromiss. Nach diesem kann der Staat Kenia eine Zwangslizenz vergeben. Aber Kenia muss dann vor dem TRIPS-Rat beweisen, dass es keine ausreichende Produktionskapazität hat. Das kann angezweifelt werden. Es kann Prozess werden, der mehrere Jahre dauern kann.