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Geschaffen um nicht zu funktionieren (Teil 3)



Dann muss Kenia ein Land finden, zum Beispiel Indien, das die Medikamente für Kenia produziert. Indien aber muss dafür ebenfalls eine Zwangslizenz beantragen. Dies ist eine weitere Kritik von uns: Dass das Exportland auch eine Zwangslizenz beantragen muss. Die Genehmigung kann nämlich wiederum lange dauern. Und es gibt noch eine zusätzliche Hürde in dem sogenannten Kompromiss: Die Firma des Exportlandes darf kaum etwas an dem Export verdienen. Das heißt, es hat die komplette bürokratische Hürde, darf daran aber kaum etwas verdienen. Eine Firma wie Cipla, die Aids-Medikamente in Indien billig herstellt, dürfte kein besonders großes Interesse entwickeln, diesen Kompromiss durch den Export von Medikamenten in die Tat umzusetzen. All diese Regelungen wären unnötig gewesen. Es gab Möglichkeiten, das nur das Importland, in diesem Beispiel Kenia, eine Zwangslizenz vergibt und den Produktionsauftrag dorthin vergibt, wo es will Und sich mit dem Generikaanbieter einigt.


Was heißt denn die Formulierung ›kaum Gewinn‹?

Das ist unklar. Im Vorwort des Kompromisses steht, dass es kein relevanter Gewinn sein darf. Es gibt keine Definition von ›nicht-relevant‹. Und ob diese Formulierung Rechtsverbindlichkeit hat, ist unklar. Da wird es vermutlich Klagen vor dem WTO-Schiedsgericht geben.

Mich wundert, dass die vielen Entwicklungsländer ohne eigene Pharmaindustrie diesem Kompromiss zugestimmt haben.

Das wundert uns auch. Die Vermutung besteht darin, dass ihnen innerhalb der WTO-Verhandlungen etwas anderes angeboten wurde, zum Beispiel im Agrarbereich. In der WTO werden Gesamtdeals gemacht. Möglicherweise haben die USA oder die Europäische Union gesagt: Wenn ihr dem zustimmt, bekommt ihr Zugeständnisse in einem anderen Bereich. Zum Beispiel, dass die Europäische Union ihre Subventionen im Agrarbereich runterfährt. Anders ist es nicht zu erklären. An dem Abend vor dem Kompromiss haben 19 Länder – allen voran die Philippinen – gesagt, dass sie nicht zustimmen. Am nächsten Tag haben sie alle zurückgezogen und zugestimmt.


Aber hat die USA als führende Industrienation in der Vergangenheit nicht selbst mit Zwangslizenzen gedroht?

Ja. Die USA selbst wollten einmal eine Zwangslizenz erteilen. Es gab einige wenige Milzbrandfälle in den USA. Die Regierung hat daraufhin erklärt, es liege ein Gesundheitsnotstand vor, sie wollten eine Zwangslizenz auf ein dazu passendes Medikament – Ciporfloxacin – erteilen. Damit haben sie dem Produzenten und Patentinhaber Bayer gedroht, wenn Bayer ihnen das Mittel nicht viel billiger abgibt. Gleichzeitig haben sie Cipla, die indische Generikafirma, angefragt, ob sie es nicht noch billiger produzieren könnten. Die USA haben gesehen, dass dies im Rahmen des TRIPS-Abkommens legal ist und wollten genau das anwenden, was sie anderen Ländern verweigern.


Und wie ist diese Geschichte ausgegangen?

Bayer hat das Mittel billiger an die USA verkauft.


Wie erklärt sich innerhalb des Kompromisses die Ungleichbehandlung sogenannter entwickelter und unterentwickelter Länder?

Wenn ein Land eine eigene Pharmaindustrie hat, kann das Land selbst produzieren. Es ist schlicht Pech für die Länder, die keine eigene Pharmaindustrie haben. In der WTO ist eine Gleichbehandlung vorgesehen. Diese sehen wir mit diesem Abkommen als nicht mehr gegeben. Wie es weiter geht, bleibt in den nächsten Jahren abzuwarten. Da wird es in den nächsten Jahren viel Informationsarbeit und eventuell auch Klagen vor dem WTO-Schiedsgericht durch Nicht-Regierungs-Organisationen geben.