Webwecker Bielefeld: fluechtlingekritik01

Flüchtlingsinitiativen kritisieren Ausländerbehörde (13.08.2003)



Wenig Mitgefühl zeigte der Kreis Gütersloh nach der versuchten Selbstverbrennung eines Türken in der Ausländerbehörde Rheda-Wiedenbrück. Flüchtlingsinitiativen in OWL sind über die Äußerungen der Behörden empört und protestieren in einer gemeinsamen Erklärung.

Von Mario A. Sarcletti

Der Bielefelder Flüchtlingsrat, das Internationale Begegnungszentrum Detmold, das Bielefelder IBZ und das Friedensbüro Lemgo kritisieren in einer gemeinsamen Presseerklärung die Reaktionen des Kreises Gütersloh auf die versuchte Selbstverbrennung eines türkischen Mannes am 31. Juli in Rheda-Wiedenbrück. Sie seien »absolut menschenverachtend und zynisch«, heißt es in der Presseerklärung, mit der sich auch das christliche geprägte Ökumenische Netzwerk Bielefeld zum Schutz von Flüchtlingen solidarisiert.


Der 33-jährige hatte sich in der Ausländerbehörde Rheda-Wiedenbrück mit Grillanzünder übergossen und in Brand gesteckt. Polizeibeamten gelang es ihn zu löschen, er wurde mit lebensgefährlichen Verbrennungen in eine Spezialklinik in Gelsenkirchen eingeliefert. Hintergrund der versuchten Selbstverbrennung ist eine Ausreiseverfügung gegen den Mann, die jüngst vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt wurde. Die Verfügung war aufgrund von Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ergangen. Die Heirat einer Frau, die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt, hätte ihm allerdings die Wiedereinreise ermöglicht. Dass er trotz der Ehe erst ausreisen sollte, lässt die Flüchtlingsinitiativen nach dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie im Falle von MigrantInnen und Flüchtlingen fragen.

Nach der Verzweiflungstat kündigte Landrat Sven-Georg Adenauer an, dass der Selbstmordversuch in die Bewertung einfließen werde, wann der Mann wieder einreisen darf. Wenn man die weiteren Äußerungen Adenauers betrachtet, dürfte die versuchte Selbstverbrennung - falls der Mann sie überlebt - die Rückkehr zu seiner Familie verzögern: »Es ist unglaublich, mit welchen Mitteln die Ausreise verhindert werden sollte. Wir lassen uns auch künftig nicht unter Druck setzen, erst recht nicht durch solche Aktionen«, zeigte der Landrat Härte.

Für die ist der Kreis Gütersloh unter Flüchtlingsinitiativen bekannt. Deshalb werten sie die Aussagen Adenauers auch nicht als »schuldabwehrende Schockreaktion«, wie es in der Erklärung aus der vergangenen Woche heißt. Die Ausländerbehörde des Kreises sei bekannt für ihre Härte gegenüber Flüchtlingen und für eine rigorose Abschiebepraxis. »Von dem Versuch der Mitarbeiter »humane Lösungen zu finden«, wie es der Landrat Adenauer bezeichnet, ist in vielen uns bekannten Fällen nichts zu spüren«, beschreiben die Initiativen ihre Erfahrungen mit der Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh.

Einen Grund dafür, dass es nicht zu normalen menschlichen Reaktionen seitens des Kreises auf den tragischen Vorfall gegeben habe, sehen die Verfasser der Erklärung in der türkischen Herkunft des Mannes. »Da setzen scheinbar alle menschlichen Selbstverständlichkeiten aus und an ihre Stelle treten Zynismus und Menschenverachtung. Wir bezeichnen das Messen mit verschiedenen Maßstäben an solchen Punkten als Rassismus«, stellen die Flüchtlingsinitiativen klar.

Sie fordern nun vom Innenministerium eine unabhängige Untersuchung des Vorgehens der Ausländerbehörde und verweisen darauf, dass es bereits vor einigen Monaten zu einem Selbstmord im Zusammenhang mit einem Besuch bei der Ausländerbehörde gegeben habe. Damals tötete sich ein Georgier selbst.