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Grauer Star Bielefeld? (Teil 2)



Klaus Peter Dreesen von der »Trägerkonferenz Bielefelder Heime» weiß heute schon, was er im Rentenalter tun wird: In eine Alten-WG ziehen oder gleich eine gründen. Doch derartiges Bewusstsein und Lust auf späte Kollektivierung bringen nicht alle Alten mit. Deswegen bräuchte Bielefeld bis 2020 wahrscheinlich zehn neue Altenheime, bis 2040 gar 38. »Dann steht tatsächlich an fast jeder Ecke ein Altenheim«, stellt sich Dressen vor. Alleine bis 2015 gebe es 110 Millionen Euro Bedarf an Finanzmitteln, um zusätzliche Wohnmöglichkeiten für Alte in Bielefeld einzurichten. Er empfiehlt alternative Lebens-Wohnformen mit höherem »Selbsthilfe-Potential«. Die Menschen sollten sich bereits früher als heute die Frage stellen: Was mache ich, wenn ich alt bin? Und andererseits müsse der gesetzliche Rahmen stärker flexibilisiert werden, die Vorschriften darüber, wie viel examinierte Kräfte in Pflegeheimen arbeiten, müssten nach unten korrigiert werden.

Paul Wolters von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften in der Universität Bielefeld bemängelte, dass in der öffentlichen Diskussion und in der veröffentlichten Meinung die negativen Aspekte des Bevölkerungsrückgangs in den Vordergrund gerückt würden. Für die Geburt von weniger Kindern gebe es aber Gründe, und die seien positiver Art. Zugleich verwies er auf die vielfältigen Potentiale, die alte Menschen haben. Er plädierte dafür, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Älteren ermöglichen, sich stärker einzubringen. Ältere würden über großes Erfahrungswissen verfügen, dass für die Gesellschaft wie auch für Betriebe von großem Nutzen sei. Die Wirtschaft habe bereits begonnen, umzudenken: Über 50-Jährige würden nicht mehr einfach entlassen, weil sie zu alt seien. Heute würden sie weiterbeschäftigt und teilweise sogar mit Aufgaben betreut, die über das hinausgingen, was diese Personen vorher leisteten. Otti Krempel, Unternehmensberaterin im Bereich Fitness, sieht zum Beispiel im Bereich Fitness Möglichkeiten für Ältere, zusätzlich Arbeitsplätze zu bekommen: »Alte lassen sich gerne von Älteren behandeln«. Ältere Menschen wollten nicht nur Hilfsdienste in Anspruch nehmen, sondern selbst aktiv Arbeit übernehmen. Auch im sogenannten »Ruhestand«, den es für Wolters so gar nicht gibt. Im Ehrenamt und Freiwilligenagenturen könnten demnach Alte nicht nur Zielgruppe, sondern auch selbst engagiert tätig sein. Wolters wies zudem darauf hin, dass er zusammen mit der WEGE – der städtischen Wirtschafts-Entwicklungsgesellschaft – an einer »Universität der Senioren« arbeite.

Die Stadt hat die demographische Entwicklung erkannt, aber ernsthafte Konsequenzen noch nicht gezogen. Eine entsprechende Arbeitsgruppe ist gebildet, die in einem Bericht erstatten soll. Dann sollen die Weichen gestellt werden. Zwei grundlegende Alternativen werden bereits heute benannt: Entweder Bielefeld attraktiver zu machen und so Bevölkerung aus anderen Gebieten hinzuzugewinnen oder aber sich auf den erwartbaren Rückgang der Bevölkerung einzustellen.