Webwecker Bielefeld: zweitwohnen02

Kommunale Studiengebühren



Von Mario A. Sarcletti

(18.12.02) Am morgigen Donnerstag soll sie im Rat der Stadt beschlossen werden: Die Zweitwohnungssteuer. Zehn Prozent der Kaltmiete sollen diejenigen an die Stadt abführen, die in Bielefeld nur ihren Nebenwohnsitz gemeldet haben, ihren Lebensmittelpunkt aber woanders sehen. Vor allem diejenigen sollen zahlen, die ihren Lebensmittelpunkt noch in ihrer Heimatgemeinde beziehungsweise bei ihren Eltern verorten. In der Beschlussvorlage für den Rat stellt Stadtkämmerer Löseke fest: »Der Hauptanteil der mit zweitem Wohnsitz in Bielefeld gemeldeten Personen entfällt auf Studierende«. Die sollen jetzt entweder ihren Hauptwohnsitz nach Bielefeld verlegen oder zahlen.

Eine dieser Studierenden ist Jana Görlach. Sie ist Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Bielefeld. »Ich fahre oft am Wochenende nach Hause und habe da auch noch meinen Freundeskreis«, begründet Görlach, warum sie in Bielefeld nur ihren Zweitwohnsitz hat. Sie hat aber bereits beschlossen, hier ihren Hauptwohnsitz anzumelden. Bei ihr wirkt die Drohung der Stadt also schon. Sie soll mehr Geld in die leere Stadtkasse bringen. Denn für jeden Bürger erhält die Stadt im Rahmen des Finanzausgleichs vom Land ca. 670 Euro an so genannten Schlüsselzuweisungen. Aber eben nur, wenn der seinen Hauptwohnsitz in der Stadt hat. Jana Görlach hat Verständnis dafür, dass die Stadt diese Gelder braucht. Dennoch spricht sich der AStA gegen die Pläne von Stadtkämmerer Löseke aus. »Hier fängt man wieder am falschen Ende an Geld einzutreiben«, kritisiert Görlach.

Bielefeld ist nicht die einzige Stadt, die eine solche Steuer erhebt. Auch Göttingen beispielsweise hat eine solche Steuer. Dort ist allerdings nur eine Handvoll Studierende davon betroffen. Der Grund ist, dass nur diejenigen zahlen müssen, die sowohl am ersten als auch zweiten Wohnsitz über eine abgeschlossene Wohnung verfügen. Das ist allerdings bei den meisten Studierenden nicht der Fall, viele haben an keinem der beiden Wohnorte eine Wohnung mit eigenem Eingang und eigener Küche. Bei den Eltern nutzen sie Muttis Küche, am Studienort wohnen sie in einer Wohngemeinschaft. In Bielefeld sollen auch WG-Bewohner bezahlen. In der Vorlage für die »Satzung über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer« ist vorgesehen, dass die Fläche der Gemeinschaftsräume auf die Zahl der Bewohner aufgeteilt wird. Und Wohnung ist »jeder umschlossenen Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird.«

Diese Definition von Wohnung hat sich auch die Stadt Dortmund zu eigen gemacht, die 1998 die Steuer als erste Großstadt in NRW einführte: Dort hatte ein Krankenpfleger gegen den Steuerbescheid geklagt. Der bewohnte ein neun Quadratmeter großes Dachgeschosszimmer, in dem es noch nicht einmal einen Wasseranschluss gab. Küche und Toilette teilte er sich mit bis zu zehn anderen Mietern. Des Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab allerdings der Stadt Recht, der Mann musste zahlen. Ebenfalls in Dortmund klagte jüngst ein Student gegen die Steuer. Die Klage wurde Anfang des Monats vom selben Verwaltungsgericht abgewiesen. Der klagende Designstudent ist inzwischen wieder in seine Heimat Stuttgart gezogen, versucht von dort aus sein Studium abzuschließen.