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Aufgalopp gegen Agenda 2010 (01.10.2003)



Demo gegen Sozialabbau
Massiver Sozialabbau, verhaltener Protest: Die Bevölkerungsmehrheit scheint die Reformen der Bundesregierung zu schlucken





Nur knapp einhundert Menschen demonstrierten am vergangenen Samstag in Herford gegen den Sozialabbau. Am Tag zuvor hatte eine ganz große Koalition im Bundestag die Einschnitte im Gesundheitssystem und für Arbeitslose beschlossen.











Von Mario A. Sarcletti

»Du hast die Wette verloren«, ruft die als Tod verkleidete Frau grinsend einem Ordner zu. Der hatte mit ihr gewettet, dass exakt 37 Teilnehmer zur Demonstration der Herforder Gruppe »genug ist genug« gegen den Sozialabbau kommen würden. Kurz vor Beginn der Auftaktkundgebung auf dem Alten Markt wurde diese Zahl überschritten. Die Veranstalter nehmen es mit Humor, dass es scheinbar schwierig ist, Widerstand gegen die so genannte Agenda 2010 zu mobilisieren.

Dabei waren die Kürzungen im Gesundheitsbereich und für Arbeitslose erst am Vortag vom Bundestag beschlossen worden, das herrliche Spätsommerwetter lud eigentlich dazu ein gegen den Sozialabbau zu protestieren. Die Sonne trägt sicher dazu bei, dass die Stimmung unter den Demonstranten unterschiedlichen Alters und Hintergrundes trotz der geringen Teilnehmerzahl gut ist. Aber auch die kreativen Protestformen heben die Stimmung. So treibt eine Frau, die das Arbeitsamt darstellt, einen gefesselten »Arbeitssklaven« mit der Peitsche durch die Fußgängerzone.

Die Passanten schmunzeln, überhaupt findet die Demonstration viel Zustimmung. Menschen mit Einkaufstaschen bleiben bei der Auftaktkundgebung stehen. Als ein Sprecher die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bei 4,5 Millionen Arbeitslosen als »Superidee« bezeichnet applaudieren sie. »Amerika lässt grüßen« kommentiert er die Veränderungen für Arbeitslose, »die jetzt jede legale Arbeit annehmen müssen«. Gewinner der so genannten Reformen seien die Reichen.

»Geld ist genug da«, stellt der Redner fest, »aber einige Großkonzerne zahlen weniger Gewerbesteuern als eine Würstchenbude«. Auch eine Rednerin bei der Zwischenkundgebung bezweifelt, dass der Staat kein Geld mehr habe, »wenn er gleichzeitig sechzig Bundeswehrairbusse für acht Milliarden kauft«.

Weitere Zwischenkundgebungen bei der etwa einstündigen Demonstration fanden vor den Herforder Geschäftsstellen von CDU und SPD. Vor der SPD dröhnte passenderweise das Einheitsfrontlied aus den Lautsprechern, ein Redner erinnerte an die Wahlversprechen der Sozialdemokraten. So heißt es noch im Wahlprogramm vom Juni 2002: » Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Deswegen wollen wir im Rahmen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung der zukünftigen Leistungen auf Sozialhilfeniveau.« Genau dies erfolgt jetzt aber, das Arbeitslosengeld II beträgt im Westen nur 345 Euro.

Der Redner zitierte auch die Wahlversprechen im Gesundheitsbereich: »Im Wahlprogramm steht: Eine Zwei-Klassen-Medizin wird es nicht geben. Aber in Zukunft wird man zum Beispiel an den Zähnen erkennen, ob jemand reich oder arm ist«. Der SPD versprach er eine historische Bedeutung, die ihr so nicht lieb sein dürfte. »Sie wird als die Partei in die Geschichtsbücher eingehen, unter der der größte Sozialabbau stattgefunden hat.«