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Vorschläge der Bundesregierung führen zur Zuspitzung der Finanzsituation (03.09.2003)



Eberhard David
David: Kommunaler Niedergang mit Bundesregierungsplänen nicht zu stoppen




Eberhard David, Oberbürgermeister Bielefelds, wendet sich in einem offenen Brief an die Bielefelder Bundestagsabgeordneten, also Michaele Hustedt (Grüne), Lena Strothmann (CDU) und Rainer Wend (SPD). In dem Brief kritisiert er die von der Bundesregierung beschlossene Reform der Gewerbesteuer und die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Ursachen für diese katastrophale Entwicklung des Bielefelder Stadthaushalts liegen für David dabei vor allem in den drastisch rückläufigen Einnahmen aus der Gewerbesteuer und in den explosionsartig gestiegenen Sozialausgaben. Doch der Regierungsentwurf zur Reform der Gewerbesteuer mache diese noch unplanbarer, sie sei mittelstandsfeindlich und begünstige abermals große Kapitalgesellschaften, kritisiert David. Bei der Reform von Arbeitslosen- und Sozialhilfe befürchtet David, dass sie nicht zur Entlastung der Kommunen führen, sondern dass die Städte am Ende sogar zusätzliche Belastungen erfahren. Wir dokumentieren den Brief Davids:








»Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Gewerbesteuer und mit dem sogenannten Hartz IV-Gesetz ihr Konzept zur Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vorgelegt. Wegen der existentiellen Bedeutung dieser Gesetzgebungsvorhaben für die weitere finanzielle Entwicklung unserer Stadt Bielefeld wende ich mich mit diesem Schreiben an Sie.

Die deutschen Kommunen befinden sich in der schwersten Finanzkrise der Nachkriegszeit. Allein für das Haushaltsjahr 2003 wird mit einem negativen Finanzierungssaldo von ca. 10 Milliarden Euro gerechnet. Darin sind die in den vergangenen Jahren aufgetürmten Haushaltsdefizite noch nicht enthalten. Auch die Stadt Bielefeld ist Opfer dieser krisenhaften Entwicklung und verzeichnet im Haushaltsplan 2003 ein Defizit in Höhe von über 73 Mio. Euro.

Die Stadt Bielefeld kann trotz Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B im Jahr 2002 und der Kürzung von Ausgaben in allen Bereichen den originären Haushaltsausgleich nach dem jetzigen Kenntnisstand erst wieder 2009 erreichen. Bis dahin ergeben sich noch auszugleichende Altfehlbeträge von rd. 319 Mio. ¤. Der Haushaltsausgleich erst 2009 hat zur Nicht-Genehmigung des Haushaltssicherungskonzeptes 2003 der Stadt Bielefeld geführt, so dass jetzt auf unbestimmte Zeit die einschneidenden Regelungen der vorläufigen Haushaltsführung nach § 81 GO NRW anzuwenden sind.

Die Ursachen für diese katastrophale Entwicklung liegen vor allem in den drastisch rückläufigen Einnahmen aus der Gewerbesteuer und in den explosionsartig gestiegenen Sozialausgaben. Die wichtigste kommunale Einnahmequelle verzeichnet seit dem Jahr 2001 einen nicht für möglich gehaltenen Niedergang. Maßgeblich hierfür sind nicht allein konjunkturelle Probleme, sondern vor allem die Gestaltbarkeit der Gewerbesteuer vor allem für große Kapitalgesellschaften. Auch in dieser Hinsicht steht die Stadt Bielefeld nur als ein Beispiel für die Entwicklung in einer Vielzahl deutscher Städte.