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Reichtum ist soziale Ungerechtigkeit (05.11.2003)



Bennholdt-Thomsen
Veronika Bennholdt-Thomsen: Möglichst konkret und lokal vorhandene kollektive Reichtümer verteidigen




Ein Programm zur Bekämpfung ist noch nicht herausgekommen, aber eine Diskussion darüber, was Reichtum ist und wie mit ihm umzugehen sei. Über 100 Menschen versammelten sich am Wochenende im Jugendgästehaus in Bielefeld, um den Reichtum zu drehen und zu wenden.



















Von Manfred Horn

Für Veronika Bennholdt-Thomsen, Soziologin und Mitbegründerin der feministischen Variante des sogenannten »Subsistenzansatzes«, ist Reichtum zunächst einmal etwas Positives, das es zu bewahren gilt: den Reichtum des Lebens, der Natur. Einer Reduktion des Reichtums auf geldliche Größen erteilte sie eine Absage. Ganz anders Elmar Altvater, linker Sozialwissenschaftler am Otto-Suhr-Institut: Er hob die Dialektik von Reichtum und Armut hervor, was im Ergebnis nichts anderes heißt, als dass soziale Ungleichheit zu bekämpfen sei. Der Mechanismus des Reichtums sei am ehesten zu begreifen, wenn man ihn als Kapital definiere.

Altvater lieferte sich bei der Auftaktveranstaltung am Freitag Abend einige Hin-und-Her-Definiererei mit seiner Kollegin Ingrid Kurz-Scherf. Die Politikwissenschaftlerin, von der Uni Marburg hob auf ein Zitat eines der theoretischen Begründer des Kapitalismus, Adam Smith, ab: Reich werde, wer viele Arbeitskräfte beschäftige. Arm hingegen, wer viele Dienstboten beschäftige. Kurz-Scherf erklärte eine Denkweise, die immer noch und immer wieder um die Kategorie der Arbeit kreise, für überholt: »Wir haben ein massives Ideologieproblem«. Die Denk- und Handlungsweise auch der linken Kapitalismuskritiker sei »in der Vergangenheit behaftet«, beispielsweise die Kategorie der Ausgrenzung völlig ausgeblendet. Altvater beharrte hingegen auf seinem Kapitalansatz: »Natürlich muss noch gearbeitet werden, dem Kapital noch etwas zuwachsen«. Altvater dozierte anschließend in Einkommenskategorien: Er differenzierte verschiedene Einkommensarten und hob besonders die Zinseinkünfte hervor. Sie seien auch bei der aktuellen Finanzpolitik der Bundesregierung außen vor geblieben. So habe das Wachstum in den Industrienationen in den 1990ern knapp ein Prozent betragen, in Schwierigkeiten seien die Haushalte jedoch gekommen, weil sie enorme Zinslasten tragen mussten. Zinsen und Wechselkurse seien strategische Preise. So könne ein schwankender Wechselkurs die Tarifauseinandersetzungen mühsam errungenen Lohnzuwächse schnell zunichte machen. Einfluss darauf hat die Bevölkerung nicht.

Gisela Notz, wissenschaftliche Referentin bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, hob hervor, dass 70 Prozent der Armen weiblich sind. Sie forderte freien Zugang zu Ressourcen und Projekten für alle Menschen. Positiv wie praktisch betonte sie Gegenkulturen, die sich mit sozialen und ökologischen Schäden auseinandersetzen. Notz plädierte auch für eine Bewusstseinsverstärkung: Kinder müssten gelehrt werden, dass Menschen Hunger leiden. Ein Teil ihrer Gegenvision ist, die »fremdbestimmte kapitalistische Lohnarbeit« abzuschaffen. Sie forderte mit Adorno dazu auf, jetzt mit der Umsetzung von Gegenvisionen zu beginnen und dabei direkt an den gesellschaftlichen Wurzeln zu rühren, die die Kälte produzieren.