Webwecker Bielefeld: prozessfebruar03

Demente Staatsanwälte (Teil 3)



Außerdem schilderte Rossel, wie schwierig es war, den Klienten Drogenhandel nachzuweisen. »Wenn ich beobachtet habe, dass eine Gruppe Leute verdächtig zusammensteht und da hin bin, dann war da nichts mehr. Oder sie haben gesagt, dass einer dem anderen eine Zigarette gegeben hat«, erklärte der Leiter der Einrichtung in der Wilhelm-Bertelsmann-Straße. Außerdem hätte das Gelände den Klienten auch genug Möglichkeiten geboten, sich der Beobachtung durch die Sozialarbeiter zu entziehen. Das könnte das Gericht bald vor Ort überprüfen, wenn es nach dem Willen von Piet Schuins Anwalt Schulze geht. Der stellte nämlich den Beweisantrag, dass das Gelände in Augenschein genommen wird. Das Gericht will bis Donnerstag über den Antrag entscheiden.

Richter Fels konfrontierte Wolfgang Rossel in der Befragung mit den Protokollen von zahlreichen Dienstbesprechungen. Er machte dabei, wie schon an den vergangenen Verhandlungstagen, klar, dass es ihm um jede Formulierung geht. So wollte er wissen, was die Formulierung aus einer Dienstbesprechung „Übergabe soll an vernünftigem Ort erfolgen, nicht draußen“ bedeute. Seine Frage legte die Vermutung nahe, dass er meinte, es sei um Drogenübergabe und nicht Dienstübergabe gegangen. Die Befragung machte auch deutlich, dass Fels, die Anwendung des Hausverbots für zu lax hält. Immer wieder bemängelte er, dass in Dienstbesprechungen gesagt wurde: »Beim nächsten Mal kriegt der Hausverbot.« Seiner Meinung nach hätte das sofort ausgesprochen werden müssen, auch ohne Dealbeweise. »Sie brauchen da kein rechtsstaatliches Verfahren«, so der Richter. Wolfgang Rossels Anwalt wie den Richter in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es Sozialarbeitern darum gehen müsse, das therapeutische Gespräch mit den Klienten zu suchen.

Der sechste Prozesstag am vergangenen Dienstag versprach interessant zu werden. Als Zeugen wurden der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Wolfgang Schulze und sein Stellvertreter, Oberstaatsanwalt Günther Specht vernommen. Insgesamt zeichneten sich die beiden durch ein im Vergleich zu den Angeklagten extrem schlechtes Gedächtnis aus. „Kann ich mich nicht erinnern“, bzw. „das ist möglich, ich weiß es aber nicht“ waren häufig gebrauchte Formulierungen. Bei Schulze erstaunt das auch deshalb, weil er die Einlassungen der Angeklagten von seinen Staatsanwälten erhalten hat und über den bisherigen Prozessverlauf informiert wurde. Immerhin konnten sich die beiden aber daran erinnern, dass im Juli 1999 eine Besprechung des Konzepts für die Naharyastraße mit der Polizeiführung stattgefunden hat. Und dass es die Zustimmung der Staatsanwaltschaft fand: »Ich denke das war sauber«, beschrieb Schulze seine Einschätzung des Konzepts. »Man konnte Verständnis dafür haben, dass die Drogenabhängigen Prostituierten an einem Punkt konzentriert werden sollten, damit sie für Hilfsangebote ansprechbar sind«, bemerkte Specht. Man habe nach dem Termin im Juli 1999 nur eine Ergänzung gehabt, die die Strafverfolgung bei Prostitution im Sperrbezirk betraf.

Deshalb wurde in die Verfügung, die den Polizeibeamten vor Ort einen Handlungsrahen vorgab, die Formulierung aufgenommen: „Bei beharrlichem Zuwiderhandeln ist eine Strafanzeige zu fertigen.“ Zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizeiführung habe es jedoch Diskussionen darüber gegeben, was »beharrlich« bedeutet. Oberstaatsanwalt Specht vertrat den Standpunkt, dass ein wiederholter Verstoß die Voraussetzung für Beharrlichkeit sei. Heinz Haubrock führte zusätzlich den Begriff des »klischeehaften Verhaltens« ein. »Wenn für den nicht-informierten Betrachter Prostitution erkennbar sei, ist mittels Ordnungswidrigkeitsanzeigen und Platzverweisen dagegen vorzugehen«, so Haubrocks Auffassung.