Webwecker Bielefeld: drogenkonzept03

Kampf ums Konzept (Teil 3)



Genau das setzt das Bielefelder Konzept um. Vor allem Dealer im öffentlichen Raum stehen in der Schusslinie der Polizei. Denn dort stellen sie die größte Gefahr dar, vor allem für neugierige Jugendliche, wie Haubrock ausführte. »Die Anlaufstelle in der Wilhelm-Bertelsmann-Straße ist aber kein öffentlicher Raum, deshalb ist der Ermittlungsbedarf da geringer«, begründete er am Dienstag die Prioritäten. Er betonte aber wie Uwe Gebranzig, dass die Räume der Drogenberatung kein rechtsfreier Raum seien.

Tatsächlich kam es dort auch zu mehreren Festnahmen, unter anderem im Mai 2000. Der darauf folgende Bericht in der Neuen Westfälischen sorgte für Verstimmung zwischen Drogenberatung und Polizei sowie innerhalb der Behörde. »»Unter den Augen der Sozialarbeiter wurde schwunghafter Drogenhandel betrieben«, nennt ein Ermittler kopfschüttelnd Details.« Als Quelle gibt der Journalist später gegenüber Polizeipräsident Kruse Kommissar Hudalla an. Der bestreitet die Äußerung, die sei von dem Journalisten erfunden worden, so Hudalla. Ob er vor Gericht aussagen wird, ist unklar. Da das Disziplinarverfahren gegen ihn nicht eingestellt ist, sondern nur ruht, könnte er sich auf ein Recht zur Aussageverweigerung berufen.

Ein Schweigen Hudallas wäre jedoch bedauerlich, denn er ist eine der Schlüsselpersonen in dem Prozess. Er behauptete immer wieder, dass ihm zum einen Ermittlungen in der Anlaufstelle untersagt worden wären. Zum anderen sieht er das Gelände als Zentrum des Drogenhandels in Bielefeld. Dies behauptete er auch in einem Lagebericht über die Drogenszene in Bielefeld im September 1999. Im Widerspruch dazu steht jedoch ein Zeitungsartikel Hudallas aus dem Dezember desselben Jahres nach der Verhaftung von acht Dealern. Die hätten in den zurückliegenden zwei Jahren den Großteil des Bielefelder Drogenmarktes abgedeckt, so der Kommissar. In dem Artikel nennt er auch die Orte an denen die Deals abgelaufen seien. Die Wilhelm-Bertelsmann-Straße taucht da nicht auf.

Der Behauptung, die Anlaufstelle sei ein Zentrum des Drogenhandels, versuchte Heinz Haubrock vor Gericht auch durch Zahlen zu widerlegen: Von Januar 1998 bis September 1999 habe es 2880 Drogendelikte, davon hätten nur 21 Fälle die Anlaufstelle betroffen. Uwe Gebranzig ergänzte, dass 169 Delikte rund um die Anlaufstelle begangen wurden.

Heinz Haubrock, seit 1987 in Bielefeld, gab am Dienstag auch Einblicke in die Entstehung des Bielefelder Konzepts. Das gibt es nicht erst seit der Einführung des nierdrigschwelligen Angebots. Ursprünglich sollte das Konzept Ende der Achtziger Jahre helfen, die Situation in der Fußgängerzone zu entschärfen. Damals hielt sich im Bereich Stresemannstraße/Bahnhofstraße eine Gruppe von fünfzig bis achtzig Punks, Obdachlosen und anderen Angehörigen von sozialen Randgruppen auf. Vor allem Alkoholkonsum, die Hunde der Gruppe und aggressives Betteln schürten laut Haubrock Ängste in der Bielefelder Bevölkerung.