Webwecker Bielefeld: Lost in Translation

Und täglich grüßt die Fremde...



Von Harald Manninga

Dieser Film ist ja schon lange ziemlich hoch gelobt: In Venedig letztes Jahr einen Hauptpreis im Nebenwettbewerb, dies Jahr nominiert für ungefähr fünf Golden Globes, von manchen Kritikern gar oscarverdächtig eingeschätzt... Dazu eine Reihe großer bis mittlerer Namen, allen voran Bill Murray, dann Scarlett Johansson (»Der Pferdeflüsterer«), nicht zuletzt die Regisseurin Sofia Coppola (ja, genau, Tochter von Francis Ford C., die hier ihren zweiten abendfüllenden Film gemacht hat), merkwürdig exotische-aber-dann-doch-nicht-Kulisse, weil Tokio halt am Ende auch nur eine weitere Großstadt ist, aber eben trotzdem auch Tokio. Und alles für mickrige vier Millionen Dollar! Allein Bill Murray hätte anderswo wahrscheinlich mehr als das schon an Gage gekostet.

Murray spielt den angealterten amerikanischen Hollywood-Star Bob Harris, der eine Woche lang in Japan sein Gesicht für eine Whisky-Werbung zum Ablichten hinhält. Dieses Geld scheint wirklich schwer verdient, denn in Tokio ist nichts so, wie es sein sollte. Es wird dauernd höflich gegrüßt und mit Visitenkarten hantiert, der Regisseur des TV-Werbespots labert minutenlange Anweisungen, um an Inhalt etwa so viel wie »links« oder »rechts« rüberzubringen, der Plakatfotograf verlangt, dass Bob die Gesichtsaudrücke des gesamten »latpack« (Frank Sinatra, Sammy Davis, Dean Martin) in seine Fassade modelliert und dazu den Whisky so trinkt wie James Bond es tun würde, und zwar in der Version Roger Moore. James Bond trinkt aber doch nur Martini, außerdem ist Bob in Sachen Bond eher ein Fan von Sean Connery. Nicht dass er das nicht könnte, aber man hats eben schon schwer...

Abends nach Dreh- oder Fototerminschluss regiert darüber hinaus die große Langeweile, die sich mit dem Kabelfernsehen im blitzhygienischen Hotelzimmer nur kurz überbrücken läßt. Was da an Skurrilitäten geboten wird reizt bestenfalls zu einem müden Kopfschütteln und der tief empfundenen Frage, was nur aus ihm und der Welt geworden ist. Aufgelockert wird das Krisengefühl ab und zu von Bobs Ehefrau, die ihm nachts um 04:20 Faxe schickt: Er möchte doch bitte Regalsysteme für das neue Heim in L.A. auswählen. Oder die Farben des Teppichbodens, als Pröbchen per Paketdienst. Oder sie quäkt ihn am Telefon im genervten Ton mit den neusten Leiden der Kinder voll. Tröstlich ist sowas auch nicht, in der Einsamkeit. Aber selber schuld, was vergisst er vor der Abreise auch den Geburtstag seines Sohns... - Bob flüchtet vor sich, der Fremde und dem allgemeinen Überdruss in die Hotelbar und zu echtem Whisky, denn am Set ist natürlich nur Tee in den Gläsern. In der Bar trifft Bob, der Anfangfünfziger, die Mittzwanzigerin Charlotte, gerade mit dem Philosophiestudium fertig, seit zwei Jahren mit John verheiratet, keine Ahnung, was sie darüberhinaus mit ihrem Leben anfangen soll.