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Tolles Sammeln (14.01.2004)



Durch die Verzögerung der Einführung eines LKW-Maut-Systems entgehen dem Staat nicht nur monatlich gut 150 Millionen Euro Einnahme. Die Autobahnnutzer entgehen gleichzeitig einem zwar nicht funktionierenden, aber theoretisch allumfassenden Überwachungssystem.



Von Manfred Horn

Denn die Kameras können nicht zwischen LKW und PKW unterscheiden. Jedes Automobil, dass eine der Mautkameras, die in der Regel an Brücken montiert werden, gefilmt wird, wird auch erfasst. Nun behauptet Toll Collect, das Konsortium, das die Technik für die LKW-Maut-Überwachung entwickelt, dass die PKW schnell wieder aussortiert werden. Die Fahrzeuge würden direkt durch die Kamera vermessen. Entsprechend könne man kleinere Fahrzeuge aussortieren.

Datenschützer sehen viele Schwachpunkte neben der Erfassung sämtlicher Fahrzeuge: In den LKW’s werden mit Handy-Technik funktionierende Geräte installiert, die die jeweilige Position des LKW’s an die Toll Collect Zentrale durchfunkt. Damit könnte das Betreiberkonsortium exakte Bewegungsprofile der LKW’s samt ihrer Fahrer erstellen. Was dann Toll Collect mit den Daten macht, ist ungewiß. Immerhin 10.000 Menschen beim Bundesamt für Güterverkehr und bei Toll Collect kommen nämlich mit den sensiblen Daten in Berührung – da ist Datenklau und Datenweitergabe vorprogrammmiert.

So könnte beispielsweise der Chef einer Spedition von einem Toll-Collect-Mitarbeiter gegen entsprechende Bezahlung erfahren, ob seine Fahrer mehr Pausen machen als sie angegeben oder ob die LKW-Fahrer merkwürdige Umwege fahren.

Ob nicht in bestimmten Situationen, zum Beispiel bei einer Terrorfahndung, vorübergehend alle Daten an die Polizei weitergegeben werden müssen, ist auch noch nicht ausgemacht. Bereits im Oktober 2003, als das Maut-System noch in der Probephase war, sollte Toll Collect nach einem Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach das Bewegungsprofil eines als gestohlen gemeldeten LKW’s herausgeben, der mit zu Testzwecken bereits mit einer Maut-Box ausgerüstet war.

Zudem biete diese Form der Datenübertragung ein Feld für Manipulationen. Viren und Trojaner, bekannt aus dem PC-Bereich, könnten die Kommunikation stören, das Funksignal manipuliert, sogar Abrechnungsdatensätze verändert werden.

Der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Bundes, Joachim Jacob, wiegelte im August 2003 zwar ab:»Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben ist gewährleistet«, stelle er fest. »Eine generelle Verkehrsüberwachung oder die Erstellung von Bewegungsprofilen sind nicht möglich. Jede Erweiterung der Mautpflicht oder der Kontrollmaßnahmen unterliegt dem Gesetzesvorbehalt und damit auch der Einflussnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz«, fügt er hinzu. Eine datenschutzrechtliche Prüfung des Verfahrens sei nach dessen Einführung in der Praxis vorgesehen.


Einfacher und billiger: Die GO-Boxen in Österreich

In Österreich ist vor kurzem ein Maut-System eingeführt worden. Es ist technisch viel einfacher und funktioniert tadellos. Mit Hilfe einer sogenannten GO-Box, einem an der Scheibe anklebbaren, fünf Euro billigen Übertragungssystem, werden die Daten nicht wie in Deutschland vorgesehen digital an einen Satelliten, sondern per analoger Mikrowellentechnologie an die nächste Empfangsstelle gefunkt. Die GO-Boxen kommunizieren lediglich mit diesen Empfangsboxen entlang der Autobahn. Eine erprobte Technik, die auch in Deutschland einsetzbar gewesen wäre, doch wohl am Innovationsdrang der Bundesregierung scheiterte. Letztlich stellt sich allerdings auch die Frage, warum es nicht ein europa-einheitliches, datensicheres Maut-System gibt. Denn mal ganz praktisch gedacht: Wieviele nationale Maut-System-Boxen passen eigentlich in einen LKW, der von Dänemark nach Portugal fährt? Und wieviel unfreiwillige Daten werden auf dieser Strecke gesendet?

Eine Dokumentation der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e.V. zum Thema finden Sie hier als PDF zum Download