Webwecker Bielefeld: videokommentar01

Videoüberwachung – nein Danke (14.01.2004)



Ein Kommentar von Manfred Horn

Videoüberwachung - nein Danke. Das die Bevölkerung in einen Überwachungsstaat überführt wird, ist den meisten Menschen offensichtlich egal, wird aus Sicherheitsgründen in Kauf genommen oder sogar begrüßt. Das allseits beliebte Motto: Ich habe ja nichts zu verbergen.

Jenseits landes- und bundespolitischer Experimente, die sich vor allem auf Überwachungsmöglichkeiten durch Verkehrsbeobachtung ergeben, gibt es in Bielefeld überhaupt keinen Grund für öffentliche Überwachung. Die Stadtregierung ist jedes Jahr ganz stolz, eine Stadt mit der geringsten Verbrechensrate bundesweit zu sein. Dies zeigt schon, dass in Bielefeld in dieser Hinsicht nicht viel los ist.


Soziale Alternativen

Damit sollen nicht die Opfer von Gewaltverbrechen verhöhnt oder die Ängste von BürgerInnen verspottet werden. Doch entscheidend ist eine andere Sache: Das soziale Klima in der Stadt. Gibt es genügend Ausbildungsplätze, genügend Jugendzentren, kostenlose Internetcafes und Sportangebote? Haben alle Menschen genug Geld zum Leben? Es sind existenzielle soziale und kulturelle Fragen, die den Beat einer Kommune bestimmen.

Dass da einiges im Argen liegt und durch weitere und andauernde Haushaltskrisen, durch andauernde auseinanderklaffende Einkommens- und Reichtumsscheren »Randgruppen« geradezu produziert werden, liegt auf der Hand. Darauf mit mehr Überwachung zu antworten, ist sicherlich der falsche Weg.

Überwachung suggeriert falsche Sicherheit. Kameras können Ordnungskräfte vor Ort nicht ersetzen. Und sie verändern den urbanen Raum. Stadt, dass war einmal ein Konstrukt, das Freiheit und Kultur versprach. Ein Anziehungspunkt, um der Enge des familiären Mileus zu entkommen; den beschränkten Möglichkeiten, die das Leben im Dorf bietet. Das Urbane bietet eine einfache Klammer: nämlich Stadtbewohner zu sein. Das verbindet, das integriert, das schafft Identität.

Doch zumindest die Innenstadt wird zunehmend überwacht, hauptsächlich von Unternehmen. Da bleibt kaum noch Raum für unangepasste Individuen, alles wird dem Faktor Geld, »Haben oder nicht sein«, untergeordnet. Doch Kommerz ist definitiv das Ende städtischen Lebens. Damit fängt ein Lebensort an, unter Hausrecht zu stehen: Dem Hausrecht der Geschäftsleute, der ordnungspolitischen Verfügung der Stadt. Das ist das Ende von Stadt.

Aber Manfred Horn, das sind doch immer die gleichen Argumente! Mag sein, aber es gibt Fragen, auf die bei einem bestimmten Stand der Diskussion nur kategorische Antworten gibt. Nur, weil durch eine Kamera eine Straftat eventuell verhindert oder aufgeklärt werden kann, ist dies noch lange kein Grund für Videoüberwachung zu sein. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Fragen: Kann ich für Gentechnologie in der Medizin sein, weil dadurch Menschenleben gerettet werden können? Wird der konkrete Einzelfall in den Blick genommen, klingt das kategorische Nein hart. Aber wer sich in seiner Argumentation auf den Einzelfall reduziert, läuft wiederum in Gefahr, die politischen Zusammenhänge oder die Folgen der Einführung von Überwachung oder eben Gentechnologie aus dem Blick zu verlieren.


Populismus hilft dem Datenschutz nicht

Unerklärlich dann auch, wie ein PDS-Vertreter dem zustimmen konnte. Im höflichsten Fall könnte man das benutzte Argument: »Wenn es die Lebensqualität anhebt« als strategischen Populismus bezeichnen. Populistisch, weil damit einfach die Law-and-Order Mentalität der Bevölkerungsmehrheit aufgegriffen und verstärkt wird; strategisch, weil gleichzeitig davon ausgegangen wird, dass die Videoüberwachung sowie scheitert und dann endlich über andere Präventionsmaßnahmen nachgedacht werden könne. Dass das Schwimmen mit dem Strom des Abgeordneten Albert Heidinger nicht die Meinung der PDS in Bielefeld spiegelt, wird dabei schwer zu vermitteln sein. Es wird spannend werden, wie sich die offensichtlich in Flügel zerrüttete lokale PDS zur Kommunalwahl aufstellt.