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Innerstaatliche Fluchtalternative gibt es nicht (11.02.2004)



Beriev
Will nicht nach Russland: Zoura Beriev





Zoura Beriev soll nach dem Willen der Ausländerbehörde Höxter nach Russland abgeschoben werden. Die Tschetschenin ist dort nach eigener Aussage jedoch vom Tod bedroht. Über 100 Personen demonstrierten am Freitag vor der Zentralen Ausländer-Behörde in Bielefeld gegen die geplante Abschiebung.

















Von Manfred Horn

»Meine ganze Familie ist vom Tod bedroht«, sagt Zoura Beriev. Sie steht vor der Zentralen Ausländer-Behörde (ZAB) in Bielefeld. Noch bewegt sie sich frei und hat ihre sieben Monate junges Kind dabei. Das Kind schläft im Kinderwagen, der Trubel zieht an ihm vorüber. Zoura Beriev steht nicht alleine vor der ZAB. Circa 100 Flüchtlinge aus Tschetschenien und wenige deutsche SymphatisantInnen haben sich versammelt, um gegen die geplante Abschiebung von Zoura Beriev zu protestieren.

Sie soll nach dem Willen des Ausländeramtes Höxter möglichst schnell abgeschoben werden. Das Asylverfahren von Zoura Beriev ist beendet, ihr Asyl abgelehnt. Beriev aber will nicht zurück, auch nicht nach Russland. Dorthin nämlich will sie die Ausländerbehörde abschieben, weil Russland angeblich eine sichere innerstaatliche Fluchtmöglichkeit ist. »Sobald ich am Flughafen bin, wird mich der Sicherheitsdienst verhören«, ist sich Beriev sicher.


ZIvilbevölkerung Opfer eines zehnjähriges Krieges

Tschtschenien ist nach dem eisernen Willen der Regierung in Moskau an die russischen Föderation angebunden. Aber nicht freiwillig: 1990 trat Tschetschenien aus der damaligen Sowjetunion aus und gründete eine eigene Regierung, der damalige russische Präsident Boris Jelzin beharrte jedoch auf die Widereinsetzung der alten Führung und einen Beitritt Tschetscheniens zur 1992 gegründeten russischen Förderation. Seit einem Jahrzehnt tobt dort nun nahezu unterunterbrochen Krieg. Während des ersten Tschetschenien-Kriegs von 1994-1996 zerbomte die russische Armee die gesamte Infrastruktur des Landes. Die tschetschenische Hauptstadt Grosny, die einmal 400.000 EinwohnerInnen hatte, liegt in Schutt und Asche. Hunderttausende Tschetschen flohen vor dem Terror der russischen Armee, alleine 90.000 leben heute noch unter erbärmlichsten Bedingungen in Flüchtlingslagern im benachbarten Inguschetien.

In Russland selbst werden Tschetschen diskriminiert und als islamische Terroristen behandelt. Wer Tschetschene ist, hat in Russland keine Rechte. Hinzu kommt, dass tschetschenische Terrorgruppen immer wieder blutige Anschläge in Russland durchführen, 2003 waren sie wahrscheinlich für ein Bombenattentat auf ein Konzert in Moskau verantwortlich.


Putin will vernichten, nicht verhandeln

Vor wenigen Tagen ereignete sich ein Selbstmord-Anschlag in der Moskauer U-Bahn, über 50 Menschen starben. Sofort ging Russlands Präsident Vladimir Putin, obwohl es noch keine polizeiliche Untersuchung und auch noch kein Bekennerschreiben gab, von tschetschenischer Täterschaft aus. Putin erklärte im Fernsehen schlicht, er werde die Terroristen vernichten und nicht verhandeln. Leidtragende dieser Politik ist die tschetschenische Zivilbevölkerung, sowohl in Tschetschenien selbst, aber auch in Russland.

Die tschetschenische Zivilbevölkerung versinkt seit langem in einem kriegerischen Chaos, für das vor allem die russische Regierung verantwortlich ist. Auf der tschetschenischen Seite stehen ihr gut organisierte und teilweise verfeindete Clans gegenüber, die mit islamischer und nationalistischer Ideologie an einem eigenen Staat basteln, der ihnen die Taschen füllen soll. Der Kaukasus, zu dem auch Tschetschenien gehört, gilt als ölreiche Region.