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Innerstaatliche Fluchtalternative gibt es nicht (Teil 2)




Rund 100 aus Tschtschenien geflüchtete Menschen demonstrierten am Freitag, sie alle fürchten die Abschiebung


All dies veranlaßte die britische Regierung vor zwei Monaten dazu, Achmed Sakajew nicht auszuliefern und ihn als politischen Flüchtling anzuerkennen. Moskau hatte erfolglos seine Auslieferung beantragt. Begründung der britischen Regierung: In Moskau drohe Sakajew möglicherweise die Folter. Sakejew gilt als enger Vertrauter des ehemaligen tschetschenischen Präsidenten Arslan Maschadow. Der führte Mitte der 1990er Jahre Friedensverhandlungen mit der russischen Regierung, inzwischen ist er Hauptfeind Nummer 1 des russischen Präsidenten Putin. Putin macht Maschadow für den U-Bahn-Anschlag in der vergangenen Woche verantwortlich. Eine kriegsrhetorische Figur, Beweise hat Putin dafür nicht.

Doch zurück nach Bielefeld: Zoura Beriev steht immer noch vor der ZAB. Sie gibt an, zum Clan von Basejew zu gehören. Basejev wiederum ist einer der tschetschenischen Führer im Kampf gegen Russland. Grund genug für die russische Armee, Beriev und ihre Familie zu verfolgen. So habe der russische Geheimdienst versucht, ihren Mann zur Mitarbeit zu zwingen.


Beriev müsste ohne ihr jüngstes Kind ausreisen

Müsste Zoura Beriev ausreisen, würde ihr jüngstes Kind von ihr getrennt werden, ihr 17-jähriger Sohn hingegen müsste mit. Das jüngste Kind ist in den Papieren des Vaters eingetragen. Eine bewusste Maßnahme, unterstellt Beriev: Damit wäre ihre Abschiebung möglich, weil Zoura Beriev legal mit Visum und Paß eingereist ist. Zugleich fordert das Ausländeramt Höxter auch ihren Mann zur Ausreise auf: Er solle sich doch die nötigen Dokumente für eine freiwillige Ausreise besorgen. Die bekäme er bei der russischen Botschaft. Er will aber nicht: »Welcher Vater würde Dokumente unterschreiben, die für sein Kind den Tod bedeuten?«, fragt Zoura Beriev.

Selbst wenn Zoura Beriev und ihr älterer Sohn nicht gleich am Moskauer Flughafen festgenommen werden sollten, sie wüssten gar nicht wohin: »Es gibt keinen Ort für uns. In Tschetschenien ist weiterhin Krieg, in Russland können wir nicht überleben«, sagt sie. Eine Sicht, die das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem Urteil vom vergangenen Jahr in einem anderen Fall bestätigt: »Aber auch wenn man von dem besonderen Risiko für den Kläger wegen seiner Beteiligung an dem Kriegsgeschehen absieht, bestand für ihn in der russischen Föderation keine inländische Fluchtalternative«, schrieb das Gericht ins Urteil und lehnte die Abschiebung eines tschetschenischen Flüchtlings ab.

Das Verwaltungsgericht Minden kam im Fall Zoura Beriev zu einem anderen Urteil: In Russland sei sie sicher. Auch könne ihr eine Trennung von ihrem Kind zugemutet werden: Das ärztliche Gutachten habe schließlich darauf hingewiesen, dass »ohnehin schon die Männer die Versorgung des Kindes übernommen haben«. Doch in dem ärztlichen Gutachten stand noch mehr, auf das sich das Verwaltungsgericht Minden in seinem Urteil nicht bezog: Das Zoura Beriev schwer krank sei, unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leide und traumatisiert sei. Dies seien Gründe dafür, dass sie nicht reisefähig sei.


Scharfer Protest gegen Ausländerbehörde

Die Situation der Familie Beriev ruft inzwischen auch scharfen Protest seitens des ›Ökumenischen Netzwerks Bielefeld zum Schutz von Flüchtlingen‹ hervor: Das Netzwerk protestiert gegen die Ausländerbehörde Höxter, »die sich in Ostwestfalen dadurch auszeichnet, dass sie keine Rücksicht auf Menschlichkeit nimmt und wissenstlich geflüchtete Menschen ihren Verfolgern ausliefert«. Protest auch in Richtung ›Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge‹: Dies mache sich zum Erfüllungsgehilfen dieser Ausländerbehörde.