Webwecker Bielefeld: existenz03

Existenzminimum in der Abwärtsspirale (Teil 3)



- Auch die für den Zeitraum bis zur neuen EVS vorgesehene Anpassung der Regelsätze an die Entwicklung des aktuellen Rentenwerts wird zu einem weiteren Hinterherhinken der Regelsätze hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung führen. Ist doch geplant, im Zuge der demographischen Entwicklung das Rentenniveau durch eine verminderte Rentenanpassung weiter abzusenken. Dieser Mechanismus wird so auf die Sozialhilfe übertragen.

  • Nicht hinreichend begründete Vorgehensweisen kennzeichnen auch die Festsetzung von Abschlägen, mit denen aus den tatsächlichen Ausgaben unterer Haushaltsgruppen die regelsatzrelevanten Ausgaben im Sinne des notwendigen Lebensbedarfs abgeleitet werden. Auch für die vorgesehene Verringerung der Alterstufen ist keine plausible Begründung gegeben worden.
Hinzu kommt: Im neuen Sozialhilfegesetz ist den Ländern die Wahlmöglichkeit eingeräumt worden, bei der Festsetzung der Regelsätze bundeseinheitliche oder regionale EVS-Auswertungen zugrunde zu legen. Dadurch wird eine Bemessung nach fiskalischen Gesichtspunkten durch die Auswahl der jeweils niedrigeren Bemessungsgrundlage ermöglicht.

Schließlich wird auch das sogenannte Abstandsgebots beibehalten, wonach das Sozialhilfeniveau durch das verfügbare Haushaltseinkommen eines Arbeitnehmerhaushalts mit einem Vollzeitverdiener unterer Lohn- und Gehaltsgruppen nach oben begrenzt wird. Indem bei diesem Vergleich ein Fünf-Personen-Haushalt zugrunde gelegt wird, der in der Bevölkerung und auch unter den Sozialhilfeempfängern praktisch kaum vorkommt, und der einen besonders hohen Bedarf aufweist, wird das Sozialhilfenniveau für alle Haushaltstypen auf einem unvertretbar niedrigen Niveau gehalten.

Alle diese Elemente tragen dazu bei, die Festsetzung und Fortschreibung der Regelsätze nach oben zu begrenzen. Insgesamt zielt die Regelung offenkundig darauf ab, das Niveau der Sozialhilfe abzusenken, um die Anreizfunktion zur Arbeitsaufnahme zu erhöhen. Der beschäftigungspolitische Sinn einer solchen Politik ist bei 6,7 Millionen fehlenden Arbeitsplätzen nicht zu erkennen. Sozialpolitisch ist diese Regelung mit dem Sozialstaatsgebot nicht zu vereinbaren. Schon in den 90er Jahren sind die Regelsätze hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurück geblieben. Diese Entwicklung droht sich weiter zu verschärfen, wobei durch das neue SGB II der Kreis derjenigen, die auf dieses Leistungsniveau verwiesen werden, stark erweitert worden ist. Die Sozialhilfe ebenso wie die übrigen Grundsicherungsleistungen werden immer weniger in der Lage sein, Einkommensarmut zu vermeiden.

Als Folge des beschleunigten Wandels von Wirtschaft und Gesellschaft und einer Zunahme sozialökonomischer Existenzrisiken wächst das Risiko in der Bevölkerung, zumindest zeitweilig von Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsleistungen leben zu müssen. Soll die verfassungsrechtlich gebotene sozialstaatliche Schutz- und Sicherungsfunktion erhalten werden, muss vor allem das unterste Leistungsnetz befestigt werden. Dieses wird durch die vorgelegte Verordnung jedoch gerade nicht geleistet. Diese Sicherungsfunktion sollte jedoch wegen ihrer überragenden Bedeutung Priorität vor anderen sozialpolitischen Aufgaben haben.