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Plastikkörper fleischig (24.03.2004)







Von Manfred Horn

›PlasticPlay plus‹, die neueste Produktion des Theaterlabors, wirft spielend gleich eine ganze Reihe Fragen auf: Über das Verhältnis von Leib und Körper, über Sein und Design, über Subjekt und Objekt. In allem Überfluss kommt das ganze aber zuckersüß und gut verdaulich daher.

Die Oberfläche: Es handelt sich um den erkennbaren Teil von etwas, was darunter oder transzendent darüber liegt. Beim Mensch: Unten das Fleisch, die Lust, der Schmerz, der Leib, oben der Wille, der Geist, der Spirit, die Ideologie. In der Mitte die in Szene gesetzte Fläche. Frei von Moral, naiv, geltungssüchtig, bereit zur entseelten Mechanik, paarungswillig mit allerlei Gegenständen.

Die acht SchauspielerInnen des Theaterlabors sind bei PlasticPlay plus nur an einem interessiert: Plastik. Der Stoff, aus dem die formbaren Träume sind, ist wunderbar klassenlos: Alles haben ihn. Aus scheinbar Wertlosem wird Ausdruck und Schmuck einer Warengesellschaft. Plastik ist praktisch, nicht nur quadratisch und jenseits von gut und böse. Mittels begeh- und bewohnbaren Mülltonnen fahren die TheaterlaborantInnen eine Parade des Designs auf. Sie laufen um ihr Leben, wenn sie sich mit Plastik schmücken. Sie spielen, wie ihnen das Plastik diktiert.

Das Stück unter der bewährten Regie von Siegmar Schröder hat dabei keine große Handlung, es ist eine fantasievolle Abhandlung, erzählt durch eine Reihe eigenständiger Szenen. PlasticPlay plus kommt dabei mit einer spielerischen Leichtigkeit daher. Doch darunter liegt ständig eine existenzielle Spannung. Das Objekt, so lautet die finale Oberflächenlehre, bestimmt das Subjekt. Umgekehrt ist leuchtender Käse. Wer in diesem Stück vor der Kleiderstange steht, erfährt schnell: Kleidung macht die Gefühle. Der grüne Schal, er würgt, macht Angst. Von innen, gleichsam vom Mensch, kommt nichts als Reaktion.

Das Dilemma derjenigen, die in einer Designwelt leben: Sie werden eins mit dem Außen, mit der ausgestellten Fläche, ein Entrinnen nicht möglich. Eine Harmonie, die vom Plastik kommt. Gemeinsam ist nur noch der Vorrat an gestellten Zeichen. Auch die Sprache: nur noch Design, alles Reflex. Es scheint: der tendenzielle Fall des Menschen nimmt seinen stilisierten Lauf.

Oder doch alles ganz anders? Verdächtig oft gerät die Plastikwelt während der Inszenierung ins Schwimmen. Turbulenzen treten unter der Dusche auf, ein Rinnsal an Wasser stößt unter dem Plaste-Regenmantel hervor. Die Welt der vereinten Plastik-Mensch-Körper kann nicht ohne den Menschen sein. Der Mensch schafft diese Welt, stellt sich und das Plastik darin aus, lädt mit Bedeutung auf. Ohne den Menschen, seine Imagination, seine gemeinsame Einigung über die Bedeutung davon: der gelbe Sack wäre nicht einmal gelb.

Die Schauspielerin Karin Wedeking zeigt dies in einer Solo-Szene eindrucksvoll: Während sie über die Kälte von Design doziert, passiert etwas, dass eigentlich nicht geschehen darf: Sie friert erbärmlich, die Worte stocken, kommen nur noch eisgebrochen aus ihrem Mund. Das Gesamtkunstwerk zerbricht: Das Fleisch will nicht aufhören zu sein, rebelliert, steht gegen Geist und Willen, die die Designwelt machen.