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Ein bisschen antikapitalistisch (Teil 3)



Zum Schluss seiner Rede ging das Vorstandsmitglied der IG Bau auf die an diesem Tag vollzogenen Beitritte osteuropäischer Staaten zur EU ein. Die Gewerkschaften seien zwar grundsätzlich dafür, nur das Wie stimme nicht. Die Wirtschaft wolle vor allem Deregulierung. »Es wurde nur darauf geschaut, dass eine Marktwirtschaft entsteht, das Wort »sozial« kommt da nicht mehr vor«, kritisierte Steppuhn. Auch dürften Steuermodelle wie in der Slowakei, wo Reiche und Unternehmen nur 19 Prozent Steuern zahlen würden, sich nicht durchsetzen. »Wir müssen denen dann die Straßen teeren«, prognostizierte der Mann von der IG Bau, der aber betonte: »Nicht die Beschäftigten in den ärmeren Ländern sind unsere Gegner, sondern die, die deren Notlage ausnützen«.


Stern für gesetzlichen Mindestlohn

Die kämpferischste und am meisten beklatschte Rede hielt abschließend Paul Stern, der Worte wie »das Kapital« benutzte. Dem reiche die Agenda 2010 noch nicht, sagte er und erinnerte daran, dass Hans-Werner Sinn vom Institut für Wirtschaftsforschung eine Senkung der Bruttolöhne um zehn bis fünfzehn Prozent fordere. »Das hat die Deutsche Bank auch gefordert. 1929«, wusste Stern zu berichten.

Zu den Angriffen auf Erwerbslose sagte er, dass nicht die faul seien: »Faul ist das Wirtschaftssystem, wenn es mit so vielen Menschen nichts anzufangen weiß.« Die Gewerkschaften müssten begreifen, dass sie auch die Sozialhilfe und nicht nur Tarifverträge verteidigen müssten, da diese so etwas wie ein Mindestlohn sei. Ein solcher müsse gesetzlich festgeschrieben werden. Zehn Euro pro Stunde müssten es sein, die Realität sehe aber ganz anders aus. »Da gibt es Menschen in Thüringen, die arbeiten für 2,40 Euro in Nähstuben«, beschrieb Stern die Realität.

Wie die anderen Redner ging auch er auf die EU-Erweiterung ein und rief wie zuvor Andreas Steppuhn dazu auf eine starke europäische Gewerkschaftsbewegung zu schaffen. Wie seine Vorredner äußerte auch er Kritik an der EU: »Wir brauchen nicht diese EU mit dieser Verfassung, in der der neoliberale Weg fortgeschrieben wird«, rief Stern unter dem Applaus der Zuhörer. Denn in der gebe es zum Beispiel kein einheitliches europäisches Streikrecht. »Zu einem Europa der Banken und Konzerne sagen wir klar Nein«, erklärte Stern. »Menschen sind in diesem System Nebensache. Treten wir dafür ein, dass sich die Menschen zur Hauptsache machen und nicht mehr ein Spielball der Märkte sind«, formulierte Stern. Dafür hätte er wohl auch die Zustimmung der Demonstranten mit dem antikapitalistischen Transparent bekommen. Aber die saßen da schon zu Hause auf dem Sofa.