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Häusliche Gewalt endlich staatlich geächtet (26.05.2004)



Über 600 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt und über 150 Fälle von Wohnungsverweisen gab es nach Informationen der Polizei im vergangenen Jahr in Bielefeld.

Bereits seit 1999 läuft in Bielefeld ein Interventionsprojekt zur Gewalt gegen Frauen. Enstanden ist es im Rahmen des SKPR (Sozial- und Kriminalpräventiver Rat). Der SKPR ist eine Einrichtung, die sich die Gestaltung des sozialen Miteinanders in Bielefeld als Ziel formuliert hat.

Das Interventionsprojekt gegen Gewalt von Männern in Beziehungen wird von Heike Lütgert von der Kriminalpolizei Bielefeld und Ilse Buddemeier, Frauenbüro Stadt Bielefeld, koordiniert. Beteiligt sind auch Beratungsstellen, insbesondere Frauenprojekte. Der Verein ›Psychologische Frauenberatung‹ ist in verschiedenen Arbeitsgruppen, unter anderem ›Hilfe und Unterstützung für die Opfer‹ , >Besondere Hilfen für Migrantinnen< sowie >Strafrecht und Zivilrecht< des Interventionsprojekts aktiv. Die Psychologische Frauenberatung gibt es als Verein 19 Jahre, seit 15 Jahren werden Frauen in allen Lebenslagen beraten. Vor allem gilt dies für Frauen in Lebenskrisen und Gewaltsituationen. Als besondere Kompetenz hat der Verein mehrsprachige Beratung anzubieten. Die meisten Frauen kommen auf Grund von Problemen in der Beziehung, in Trennungs- beziehungsweise Scheidungssituationen oder wegen Gewalterfahrungen zur Beratungsstelle.

Im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes wird Frauen in Bielefeld Beratung angeboten. Kommt die Polizei, werden Opfer und Täter getrennt vernommen. Die Polizei entscheidet dann vor Ort über einen Verweis des Täters aus der Wohnung. Das Opfer erhält ein Infofaltblatt und eine Notfallkarte mit wichtigen Telefonnummern. Anschließend schickt die Polizei ein Fax an das zuständige Dienstleistungszentrum der Stadtverwaltung. Das Dienstleistungszentrum entscheidet dann, ob jemand das Opfer zwecks Beratung und Unterstützung aufsucht, ob es angerufen wird oder ins Dienstleistungszentrum eingeladen. Die Betroffenen können sich aber auch gegen diese Beratung aussprechen, Beratung ablehnen oder sich für das Beratungsangebot einer freien Beratungsstelle entscheiden. In diesem Fall nehmen sie zum Beispiel Kontakt mit der Psychologischen Frauenberatung auf. Einer der Vorteile der Beratung dort ist: Völlig anonymisierte Arbeitsweise, es werden keine Daten weitergegeben.







Der WebWecker sprach mit Cornelia Neumann, psychologisch-pädagogische Beraterin der Psychologischen Frauenberatung, über ihre Erfahrungen mit dem Gewaltschutzgesetz. Das Interview führte Manfred Horn


WebWecker: Seit knapp zweieinhalb Jahren gibt es nun das Gewaltschutzgesetz in NRW. Hat sich seitdem für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, etwas geändert?

Neumann: In Bielefeld hat sich da einiges getan. Nun wird häusliche Gewalt staatlich geächtet. Dadurch, dass es gesetzliche Regelungen gibt, werden Frauen ganz anders ernst genommen als vorher. Ohne die gesetzlichen Regelungen war nicht klar, ob das nur das Interesse einzelner Frauen oder gar eine Privatsache ist. Heute, nachdem entsprechende Gesetze geschaffen wurden, informieren sich sehr viel mehr Frauen, wie diese rechtlichen Regelungen aussehen. Auch schon, bevor sie davon selbst betroffen werden. Diese Informationen nutzen sie für sich oder als Freundinnen oder Nachbarinnen von Frauen, die von Gewalt betroffen sind.

Für die Frauen in Bielefeld hat sich weiter geändert, dass sie deutlich merken, dass die Polizei parteilicher ist und mehr auf ihrer Seite steht: Durch das veränderte Polizeigesetz hat die Polizei andere Möglichkeiten einzugreifen. Früher gab es nur einen Platzverweis und eine vorübergehende Ingewahrsamnahme, heute gibt es die Möglichkeit der Wegweisung. Damit ist die Frau nicht mehr das Opfer, das nach der erlebten Gewalt auch noch die Wohnung verlassen muss, sondern es gibt jetzt die Möglichkeit, dass der Täter der Wohnung verwiesen wird.