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»Ihr seid das Salz der Erde« (Teil 2)



Schon Anfang der 1980, noch zu Hochzeiten der Friedensbewegung, entdeckt die Gruppe ein neues Thema, das der Kirche damals eher unangenehm war: Wie hat sich die Kirche, die so gerne unpolitisch sein wollte, im Nationalsozialismus verhalten? »Wo haben unsere Väter und Vorväter Widerstand geleistet?«, fragt sich Decker damals. Eine aufwendige Recherche beginnt. Archive werden durchforstet, Zeitzeugen interviewt. Im Mai 1985 ist es soweit: Die Ausstellung ›Evangelische Kirche im Nationalsozialismus am Beispiel Bielefeld‹ wird gezeigt, eine Begleit-Broschüre entsteht.


Die Kirche leistete wenig Widerstand

Die erste engagierte Aufarbeitung eines Stückes schwieriger Kirchengeschichte mit dem Fokus auf Bielefeld. Ergebnis: Die Kirche leistete bis auf wenige Ausnahmen keinen Widerstand gegenüber den Nationalsozialisten. Die hatten mit Erfolg versucht, die evangelische Kirche in ihrem Sinn zu politisieren. 1932 gründeten sie die ›Deutschen Christen‹ und traten damit zu den Kirchenwahlen an. Mit großer Resonanz: 1932 erhielt die Liste reichsweit circa ein Drittel der Stimmen, 1933 bereits zweidrittel. »Wir wollen eine evangelische Kirche, die im Volkstum wurzelt, und lehnen den Geist eines christlichen Weltbürgertums ab. Wir wollen die aus diesem Geist entspringenden verderblichen Erscheinungen wie Pazifismus, Internationale, Freimaurertum usw. durch den Glauben an unsere von Gott befohlene völkische Sendung überwinden«, hieß es in den Richtlinien der ›Deutschen Christen‹. Und: »In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper«. Für die Kirchengeschichte war Bielefeld damals ein spannender Ort, waren hier doch einige Protagonisten der ›Bekennenden Kirche‹ versammelt.

Die gründete sich in Abgrenzung zu den ›Deutschen Christen‹, wollte eine unpolitische Kirche. So ließ sich der Leiter der von Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld, Friedrich von Bodelschwingh, 1933 zum Reichsbischof wählen, um damit einem Kandidaten der ›Deutschen Christen‹ zuvorzukommen. Kurz zuvor hatten die Nationalsozialisten bestimmt, dass die evangelische Kirche fortan nach dem Führerprinzip zu organisieren sei. Bodelschwingh musste bereits nach 26 Tagen wieder zurücktreten.

Der Versuch aber ist typisch für das Verhalten der ›Bekennenden Kirche‹ bis 1945: Geprägt davon, die Kirche als Glaubensort zu erhalten, gab es zugleich Distanzierungen von den nationalsozialistischen Machthabern, aber auch demütige Unterwerfungsgesten. So schrieb der ›Pfarrernotbund‹ im Oktober 1933 ein Ergebenheitstelegramm an Adolf Hitler, nachdem dieser zuvor aus dem Völkerbund ausgetreten war: »Wir danken für die mannhafte Tat und das klare Wort, die Deutschlands Ehre wahren«, hieß es da. Unterzeichnet unter anderem von Martin Niemöller, nach dem Krieg als eine der Widerstandsfiguren von der Kirche hochgehalten. Bis auf wenige Ausnahmen aber taktierte die ›Bekennende Kirche‹, versuchte durch Diplomatie Einfluss zu nehmen: Beispielsweise auf die Euthanasie, den Mord an Behinderten. Entschiedenen Widerstand gab es hier aber genauso wenig wie gegen die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. »Gegenüber den jüdischen Bürgern in Bielefeld hat die evangelische Kirche versagt«, stellt Decker heute fest.

»Man ganzes Umfeld unterstützt meine Arbeit«, sieht Decker ihr Engagement. Ihr Mann Hans, dem die seit Mitte der 1970er Jahre Apotheke gehört, steht ihr zur Seite, in dem sie sich auch während ihrer Arbeitszeit um ihre Anliegen kümmern kann. »Ich hätte ja auch meine ganze Energie in die Apotheke stecken können«.