Webwecker Bielefeld: decker03

»Ihr seid das Salz der Erde« (Teil 3)




Bernhard Mosberg


1987 gelang es der Friedensgruppe, die Umbenennung der Adolf-Stöcker-Straße in Schildesche in Bernhard-Mosberg-Straße durchzusetzen. Adolf Stöcker gründete 1878 die ›Christlich-Soziale Arbeiterpartei‹. Sein Ziel: Die Bekämpfung von Sozialdemokratie, Liberalismus und Judentum: »Wir bieten den Juden den Kampf bis zum völligen Siege und wollen nicht eher ruhen, als bis sie (...) heruntergestürzt sind in den Staub, wohin sie gehören«, erklärte er vor Berliner Arbeitern. Der Theologe und Hofprediger des Kaisers, der 1909 verstarb, war einer der geistigen Vorläufer des nationalsozialistischen Terrorregimes.

Bernhard Mosberg hingegen war ein beliebter jüdischer Orthopäde. Er hat viele Menschen kostenlos behandelt, insbesondere Versehrte des 1. Weltkriegs. Die Bielefelder kannten ihn, weil er Gymnastik mit Kindern machte. Er hatte seine Praxis in dem Haus, in dem heute die Museums-Apotheke eingemietet ist und wo Brigitte Decker arbeitet. Mosberg hatte das Haus 1908 bezogen, wurde 1933 als Arzt in Bethel entlassen. Er arbeitete noch bis 1938 weiter in seiner Praxis, mit der SA vor dem Haus, die Patienten aufforderte, nicht zu diesem jüdischen Arzt zu gehen. Nach der Pogromnacht floh er in die Niederlande, wurde dort von der nationalsozialistischen Besatzung verhaftet und nach Theresienstadt deportiert. Später wurde er in Auschwitz ermordet.


Gedenkstein für Zwangsarbeiterinnen

Zwei Jahre später dann wurde auf Initiative der Gruppe ein Gedenkstein zur Erinnerung an das Fremdarbeiterinnenlager auf dem Johannisberg errichtet. Mit dem Stein wird an 500 Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine gedacht. Ein immer noch aktuelles Thema: In diesem Jahr kommen erstmalig überlebende Zwangsarbeiter, die in Bielefelder Betrieben während des 2. Weltkriegs arbeiten mussten, nach Bielefeld (WebWecker berichtete). Bis heute ist die Geschichte der Zwangsarbeiter in Bielefeld nicht vollständig aufgearbeitet.

Das nächste große Ziel der Friedensgruppe war ein Mahnmal für die aus Bielefeld deportierten Juden. Viele Kontakte entstanden bereits aus der Arbeit zur Ausstellung über die evangelische Kirche im Nationalsozialismus. Die Idee entwickelte sich bereits Ende der 80er Jahre, seit der Wahl von Angelika Dopheide zur Oberbürgermeisterin im Jahr 1994 wurden die Bemühungen forciert. Gleich nach ihrer Wahl erhielt sie einen Brief von der Friedensgruppe. Dopheide übernahm spontan die Schirmherrschaft. Auch hier ging Decker wieder gemeinsam mit der Friedensgruppe und Unterstützern wie die ›Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit‹ und die ›Deutsch-Israelische Gesellschaft‹ ein Projekt an, das nur auf verhaltenes Interesse in ihrer Gemeinde stieß. Nach vierzehn Jahren, Anfang der 1990er Jahre, gibt Decker dann ihr Amt als Jugendpresbyterin der Nicolai-Gemeinde auf.

Anregungen gab der damalige Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Bielefeld Arthur Sachs. Er wurde von Bielefeld aus nach Riga deportiert, überlebte und kam als einer der wenigen Juden zurück nach Bielefeld. Die Wahl fiel schließlich auf den Bielefelder Hauptbahnhof. Von dort aus flohen die Emigranten, wurden Juden aus der ganzen Region, bis hin nach Schaumburg-Lippe und dem Warburger Land, ab 1941 in das Ghetto in Riga und dann in die Vernichtungslager geschickt. Mehr als 600 der 1.000 jüdischen Einwohner Bielefelds kam damals in den Lagern um. 1998 wurde die zwei Lesepulte mit 1840 Namen von Juden vor dem Bahnhof aufgestellt. Auf den Tafeln sind heute die Namen aller Bielefelder Juden, die von Bielefeld oder einem anderen Ort aus deportiert wurden und die Namen aller Juden, die aus der Umgebung Bielefelds über diesen Bahnhof in die Lager geschickt wurden, zu lesen.