Webwecker Bielefeld: timofejew03

Nummer 3202 hat überlebt (Teil 3)



Meister Emil fesselte ihn mit Draht

Ein besonderes Verhältnis zu ihm hatte auch sein Meister Emil. Der verlor während eines Bombenangriffes seine Familie. Seitdem hatte er sich verändert. Während der Fliegerangriffe ging er nicht mehr in den Schutzraum, sondern lief umher oder stellte sich sogar aufs Dach. Timofejew erklärte er zu seinem Sohn und versorgte ihn mit Essen. Das merkwürdige Verhältnis gipfelt darin, dass er Timofejew mit Draht an einem Ofen fesselt, auf das dieser nicht immer weglaufe. Doch während Timofejew gefesselt ist, fallen Bomben.

In großer Not gelingt es ihm noch, mit einem Stein den Draht durchzuschlagen und auf die Straße zu laufen. Dort springt er auf ein Offiziersauto auf, in der Hoffnung, so schneller einen Schutzraum zu erreichen. Doch das Auto fährt nicht zu einem Schutzraum, sondern raus aus der Stadt. Timofejew springt ab, eine Bombe explodiert in der Nähe. Als er wieder wach wird, ist alles voller rotem Staub. Er liegt neben den Resten des Viadukts in Schildesche. Timofejew hat sich einen Arm gebrochen, kommt ins Krankenhaus, wird von der Arbeit freigestellt.

Inzwischen ist es Frühjahr 1945. Im April dann Konfusion im Zwangsarbeiterlager: »Die Wachmänner schrieen: Alles austreten, alles austreten«. Die US-Amerikaner stehen kurz vor Bielefeld. Timofejew versteckt sich in den Katakomben der Sparrenburg, genauso wie viele Deutsche. Eine deutsche Frau beschwert sich, ein Polizist schmeißt ihn raus. Timofejew weiß nicht wohin, überlegt sogar, zurück ins Lager auf dem Benteler-Gelände zu gehen.


Kriegsende in verlassenem Restaurant erlebt

Er gelangt zu einem verlassenen Restaurant am Stadtrand. Dort gibt es zu essen. Kalte Speisen, denn Feuer zu machen traut er sich nicht, das könnte auffallen. Nebenan in einer Gartenlaube halten sich drei französische Kriegsgefangene versteckt. Man hilft sich gegenseitig mit Nahrung. Nach einer Woche beruhigt sich die Lage. Am 4. April 1945 dringen us-amerikanische Soldaten in das Bielefelder Stadtgebiet vor. Am Rathaus weht die weiße Fahne, die Stadt kapituliert. Für Timofejew das Ende einer dreijährigen Schreckenszeit. Er kam dann nach Stukenbrock, wo er zusammen mit 13.000 russischen Kriegsgefangenen auf die Heimreise wartete. Doch das Leben, insbesondere das von Timofejew, nimmt manchmal ungeahnte Wege. Er kommt zunächst in ein Durchgangslager in eine Kaserne in Herford. Er dolmetscht für die Amerikaner, er hat in den vergangenen Jahren ganz gut deutsch gelernt. Und er verliebt sich und ist zwei Monate mit Margareta zusammen.

Zurück in Russland, sieht es zunächst düster aus. Der Krieg hat alles zerstört. Er wandert zusammen mit seinen vier Geschwistern und seiner Mutter nach Lettland, 60 Kilometer zu Fuß. Sie tauschen ihr letztes Hab und Gut gegen Lebensmittel. Seine Familie geht zurück, er bleibt und hütet in Lettland bei einem Bauern die Kühe. Er setzt sich an einen Fluss, dort schwimmt eine Zeitung vorbei. Timofejew liest, dass in Riga in Litauen Schüler aufgenommen werden. Er wandert zu Fuß dort hin. Sein Motto: »Erst lernen, dann vielleicht heiraten«. Er arbeitet am Wideraufbau Rigas mit, später heiratet er tatsächlich. Arbeitet in Ape, einer mittleren Stadt in Lettland, wird Vater von zwei Kindern.