Webwecker Bielefeld: vision zero 290604

Verkehrspolitik kein Thema in Bielefeld? (30.06.2004)



Von Jeanette Wette

Unter der Überschrift »Vision Zero« hatten die Grünen in Bielefeld zur Podiumsdiskussion geladen, auf der der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sein gleichnamiges Programm zur Diskussion stellte. Schade nur, dass die Bielefelder BürgerInnen dem Aufruf so zögerlich folgten. Keine zwanzig Interessierte fanden sich zur Diskussion ein; ein trauriges Ergebnis für ein Thema, das doch letztlich jeden Menschen betrifft, der seine Wohnung verlässt.

Tausende Menschen sterben jedes Jahr auf Deutschlands Straßen, Hunderttausende werden verletzt. Allein auf Bielefelds Straßen ereigneten sich 2003 über 10.000 Unfälle, davon 15 mit tödlichem Ausgang. Mit dieser traurigen Statistik ist Deutschland Spitzenreiter in ganz Europa.

Dabei sind vor allen Dingen die VerkehrsteilnehmerInnen besonders gefährdet, die nicht durch die Fahrgastzelle eines PKW geschützt werden. Hans-Werner Göll, Polizeidirektor für Bielefeld referierte über die Unfallstatistiken der Region, die deutlich zeigen, dass gerade bei Unfällen mit schweren Folgen Autofahrer zwar fast immer Beteiligte, selten aber Opfer sind.

Bis heute lautet die Devise: »Der Verkehr ist wie er ist – der Mensch muss sich ändern!« Die Straßen in Deutschland werden von den Autos fest in Beschlag gehalten, andere VerkehrsteilnehmerInnen häufig nur als Fremdkörper wahrgenommen, die ein Problem darstellen, sobald sie ebenfalls den Verkehrsraum betreten.

Hierin sieht die Vision Zero denn auch das größte Problem der Verkehrspolitik: Der Ansatz muss umgedreht werden, fordert Hermann-Josef Vogt stellvertretend für den VCD. Nicht der Mensch muss sich ändern, vielmehr muss das System Verkehr endlich so umstrukturiert werden, dass es Fehler, die Menschen nun einmal machen, verzeiht. Der VCD fordert die Vision Zero: Nicht eine Reduktion der Unfallopfer, sondern das erklärte Ziel von zero – also null – Unfalltoten. Bereits bis 2010 will der VCD die Zahl von Toten und Schwerverletzten halbiert sehen.

Für eine derartig hochtragende Vision aber ist ein radikales Umdenken erforderlich, das ausgerechnet eine der stärksten Lobbies in Deutschland – die Autofahrer – gegen sich haben wird. Im Mittelpunkt einer neuartigen Verkehrspolitik stünde dann nicht mehr freie Fahrt für freie Bürger, sondern eine Verschärfung der Gesetze, unter anderem ein einheitliches Tempolimit von 30km/h in geschlossenen Ortschaften. Solche Gesetze lokal-, landes- und schließlich bundespolitisch durchzusetzen, wird ein harter und steiniger Weg werden.

Stellvertretend für die Grünen im Landtag beteiligten sich Oliver Keymis, der verkehrspolitische Sprecher seiner Fraktion und Inge Schulze die als Grüne für das Amt der Oberbürgermeisterin in Bielefeld kandidiert. Beide zeigten sich von den Plänen der Vision Zero sehr angetan. Schulze betonte, dass alle Maßnahmen, die zur Umsetzung der Vision vonnöten wären, durchaus umsetzbar seien, das Problem bestehe lediglich darin, eine Mehrheit zu finden, die sie beschließt. Keymis äußerte die Hoffnung, dass, auch wenn nur wenige Menschen grün wählen, die Zahl derer, die für mehr Sicherheit auf Deutschlands Straßen zu gewinnen sind, bei weitem höher sei.

Zu diskutieren gab es am Ende recht wenig. Alles in allem waren die geladenen Gäste und das Publikum sich einig: Die Verkehrspolitik in Deutschland muss sich endlich an den schwächsten Verkehrsteilnehmern orientieren. Ziel kann und soll nicht der frei fließende Verkehr sein, sondern die Sicherheit aller VerkehrsteilnehmerInnen.

Eine Kurzfassung des Masterplans „Vision Zero“ finden Sie
hier: www.vcd.org/kampan/download/Vision_Zero_Kurz.pdf (pdf, ca. 750 KB).