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Klönne, Otto, Wollenberg: Freiheit, Wohlstand, Bildung für Alle!



Freiheit, Wohstand, Bildung für Alle
Von Manfred Horn

»Freiheit, Wohlstand, Bildung für Alle!« Der Titel des Buches wirkt antiquiert, denn zumindest den Wohlstand für Alle kann mensch sich zur Zeit wohl abschminken. Dennoch: historisch gesehen waren diese drei Begriffe zentrale Forderungen der Gewerkschaftsbewegung. Der ver.di Bezirk Bielefeld-Gütersloh hat sich daran gemacht, einen Teil seiner turbulenten Geschichte aufzubereiten, genauer das Druckergewerbe.

Herausgekommen ist ein reich illustriertes und – wenn mensch einmal von dem ästhetisch unpassenden Titelcover absieht – vorzüglich layoutetes Lesebuch mit vielen aufschlussreichen Bildern und Grafiken. 127 Jahre ist es nun her, dass sich in Bielefeld der Ortsverein im Deutschen Buchdruckerverband gründete, diverse organisatorische Vorläufer gehen sogar bis auf das Jahr 1849 zurück. Damit hatten die Drucker die erste Gewerkschaft in Bielefeld überhaupt gegründet. Das Druckgewerbe war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in Bielefeld reichlich vertreten, die Beschäftigten waren früh zu einem hohen Grad gewerkschaftlich organisiert.

Die Drucker und Graphiker waren, so eine Folgerung der Buchautoren, nicht sonderlich radikal, aber trotzdem streikbereit. Überdurchschnittliche Einkommen machten die Buchdrucker und Schriftsetzer schon im Ausgang des 19. Jahrhunderts zum »obersten Stand des Proletariats«, wie Jörg Wollenberg in dem Buch schreibt – und damit weniger radikal als andere Gewerkschaften. Sie verfolgten nach dem Nationalsozialismus konsequent den Weg der Sozialpartnerschaft.

Das Buch beschreibt aber auch aktuelle Entwicklungen: Mit dem Einzug der Computer veränderte sich das Gewerbe: Der Bielefelder Schriftsetzer Hans-Dietmar Hölscher beschreibt seine berufsbiographischen Umbrüche der vergangenen 35 Jahre: Er erlebte bei der Kalenderfirma Broelemann noch das Verschwinden des Bleisatzes, arbeite Anfang der 1980er Jarhre an den ersten Satzcomputern der Firma Linotype. Und er erlebte hautnah, wie Desktop-Publishing-Programme auf Homecomputern das Monopol auf Satzherstellung durch gelernte Setzer auflöste. Seit gut zehn Jahren kann im Prinzip jeder zu Hause setzen, wenn er sich den in die gängigen Programme einarbeitet und ein Grundverständnis von Seitengestaltung mitbringt.

Das Buch sei allen empfohlen, die an der industriellen Geschichte Bielefelds interessiert sind. Es stellt anschaulich einen Teil der lokalen Geschichte dar und ordnet diese, dafür stehen die Haupt-Autoren Jörg Wollenberg und Karl A. Otto, durchaus kritisch ein. Auch ist dem Buch im positiven Sinn anzumerken, dass es viele verdi.-Väter hatte: Allen voran Heinrich Hollmann, der selbst einmal Sekretär der Bielefelder Sektion der IG Druck und Papier war und seit Jahren zahllose Stunden in diversen Archiven verbringt, um nach der Bielefelder Gewerkschaftsgeschichte zu forschen.

Arno Klönne, Karl A. Otto, Jörg Wollenberg: Freiheit, Wohlstand, Bildung. Ein Lese-Bilder-Buch. Erschienen im VSA-Verlag Hamburg ISBN 3-89965-083-2

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