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Wissen schaffen über den Terrorismus der RAF (13.10.2004)




Beendete jede Erklärung der RAF: Der Stern mit Maschinenpistole


Die Rote Armee Fraktion (RAF) und die Innere Sicherheit als akademisches Thema: vom 8. bis. 10. Oktober wurde im Zentrum für Interdisplinäre Forschung der Universität Bielefeld die Retrospektive und Einordnung gewagt, mit knapp 30 Jahren Sicherheitsabstand. Ein zentrales Thema: Die mediale Konstruktion des Terrorismus.







RAF und innere Sicherheit in der Diskursproduktion der Medien: Jörg Requate, Andreas Musolff, Martin Steinseifer, Oliver Tolmein, Walter Uka







Von Manfred Horn

Kann die Wissenschaft über linksradikalen Terrorismus der 1970er Jahre sprechen? Sie kann. Objektivität ist eine relative Angelegenheit. Die Sprecher müssen sich lediglich aus ihrer persönlichen Position heraus genügend distanzieren. Bei der Tagung »Terrorismus und Innere Sicherheit in der Bundesrepublik der 1970er Jahre«, organisiert von Heinz-Gerhard Haupt, Geschichtsprofessor und ebenso in der Universität Bielefeld beschäftigt wie die beiden weiteren Tagungsleiter Jörg Requate und Klaus Weinhauer, wurde gewaltfrei aber entschieden die Keule ausgepackt: Der thematische Bogen spannte sich von Jugendkulturen und Gewaltdiskursen der späten 1960er Jahre über die Anfänge des Terrorismus in München über das Sozialistische Patientenkollektiv hin zur staatlichen Seite im Zeichen gesteigerter innerer Sicherheit.


Medien stehen als vierte Gewalt auf Seiten des Staates

Die mediale Konstruktion des Terrorismus bildete einen Schwerpunkt der Tagung: Die Medien, die sich gerne als ›vierte Gewalt im Staat‹ beschreiben, mussten sich im Spannungsfeld der Rote Armee Fraktion (RAF) und der Revolutionären Zellen (RZ) und der gesteigerten Inneren Sicherheit des Staates verhalten. Aber mussten sie sich nicht zugleich angegriffen fühlen als Gewalt und damit Teil des Staates? Sicherlich wäre eine Selbstbestimmung als ›watchdogs‹, eine Wächter-Rolle, wie sie Teile der US-Presse für sich definiert, weniger dem Staat verpflichtet.

Ein ähnliches Problem dürfte die Wissenschaft heute kennen: Wie in Zeiten eines rückgebauten Elfenbeinturms und intensiver Drittmittelförderungsverlandung über etwas debattieren, dass so deutlich die Grenzen der bürgerlichen Demokratie sprengt, ohne dabei die Positionen des Staates nachzubeten? Terrorismus stellt für die Wissenschaft, deren vorgebliche Wertfreiheit immer stärker durch Mainstream-Meinungskorridore eingegrenzt wird, eine Herausforderung dar.

Der linke Radikalismus in Deutschland steht heute lange nicht mehr so im öffentlichen Fokus steht wie in den 1970er Jahren, wenn er auch immer einen großen Teil der Verfassungsschutzberichte füllt. Anders eine Tagung zum Thema Islamischer Terrorismus: Dort wirkt sich das Verfolgungsfieber des Staates direkt in Druck aus. Ein geplanter Islamkongress in Berlin, der in Verdacht stand, mit unzureichender Distanz zum Terrorismus debattieren zu wollen, wurde Ende September vom Berliner Senat verboten und der Initiator ausgewiesen.

Einwand: Der Terrorismus der 1970er Jahre ist nicht zu vergleichen mit heutigem islamisch fundamentalistischen. Oliver Tolmein, inzwischen promovierter Jurist und früherer TAZ-Konkret-Junge Welt-Autor, kommentierte während der Tagung die Beiträge zur medialen Konstruktion des Terrorismus. Er sieht es genau so: Tatsächlich, und anders gemeint als von Tolmein gedacht: Eine genaue Analyse des islamischen Terrorismus im Gefolge politischer und medialer Absichten des ›Westens‹ steht noch aus.