Webwecker Bielefeld: Delphinsommer

Delphinsommer



Von Harald Manninga

Nathalie und Sibille

Eine von sechs WDR-Produktionen, die auf den Hofer Filmtagen gezeigt werden. Ein 16jähriges Mädchen, Nathalie, ist wie ihre Eltern Mitglied der Sekte »Kirche des Herrn«, in der es alles andere als himmlisch zugeht. Allerdings findet Nathalie das soweit auch erst mal alles ganz in Ordnung und geht in ihrer Freizeit sehr gern für den HErrn missionieren, hält Kindergottesdienststunden und agitiert gegen Abtreibung.



Der Film beginnt mit dem Umzug von Nathalies Familie nach Berlin, wo ihr (Stief-)Vater Gregor, Anwalt und in seinem religiösen Fanatismus auch sonst ein ziemlicher Stinkstiefel (glänzend gespielt von Samuel Finzi), eine neue Stelle bei der dortigen Gemeinde der »Kirche des Herrn« als so etwas wie deren Firmenanwalt antritt. Nathalie kommt mitten in Schuljahr auf eine neue Schule, in der alles anders ist, als sie es bisher kannte. Zum Beispiel gibts da Jungs, und auch sonst geht es auf dieser Schule eben so weltlich zu, wie es auf normalen Schulen zuzugehen pflegt.



Nathalie sieht sich gezwungen, gegen so einiges dort zu rebellieren. Trotz Androhung von Repressalien, also schulischem Druck über Noten und dergleichen, verweigert sie sich erfolgreich der Zumutung, im Deutschunterricht einen modernen Roman lesen zu sollen oder am Sportunterricht teilzunehmen, wo man unzüchtige Tänze zu unzüchtiger Musik tanzen lernt. Gar ins Kino gehen, das kommt ja nu schon überhaupt nicht in Frage, auch wenn es um eine Schulvorführung geht und der Film zum »Stoff« gehört.



Kein Wunder, dass sie es bei ihren neuen Mitschülern einigermaßen schwer hat. Sie hat aber in den Betstunden ihrer Sekte auch gelernt, dass »unser Anderssein in den Augen der Welt ein Bessersein in den Augen Gottes« ist. Mit zweidrei MitschülerInnen freundet Nathalie sich zwar trotzdem ein bisschen an, hält aber weiterhin auf Abstand.



Da taucht an ihrem Geburtstag (»Wir feiern nicht!«) ihr leiblicher Vater, Michael, auf, von dem es bisher hieß, er habe Nathalies Mutter verlassen, weil er Nathalie nicht wollte. Es beginnt eine schmerzliche Spurensuche nach ihren Wurzeln und dem, was sie selbst will. Dabei steht ihr Sibille zur Seite. Auch ein junges Mädchen aus der »Gemeinde«, das den Ausbruch schon länger versucht: sie muss als sogenannte »Pionierin« Pommes verkaufen, obwohl sie viel lieber zur Schule gehen und lernen will. Das gesteht ihr die Sekte aber nicht zu als den Ort, an den sie der HErr angeblich gestellt hat. Zweiter Helfer ist Mitschüler Gabriel.



Eine Mischung aus Teenie-/Pubertätsdrama und Sektenschelte also, wobei ersteres quasi als Transportmittel für letztere benutzt wird. Was auf zweierlei Weise den Film vorm Kippen ins Allzuplatte schützt: Die Wandlung der Heldin von der Pauline zur Sauline wird auf diese Art glaubhafter, als wenn eine 35jährige auf Sektenentzug käme, zweitens sind die drei Jugendlichen derart gut besetzt, mit Anna Maria Mühe als »Nathalie«, Sophie Rogall als »Sibille« und Tino Mewes als »Gabriel«, dass es schwer vorstellbar ist, wer besagte 35jährige hätte spielen sollen. Überhaupt sind die Rollen alle spitzenmäßig besetzt, auch wenn die Namen der Darsteller nicht unbedingt geläufig sind. Besonderes Augenmerk habe man, wenn der Film nächstes Frühjahr im WDR-Fernsehen läuft, bitte auf den Lehrer, gespielt von Peter Kurth, und die beiden Mäkelaltjungfern, die immer mal im Hintergrund auftauchen.