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Klaus Theweleit: »Tor zur Welt«







Eigentlich wollte Klaus Theweleit im Buchladen Eulenspiegel aus seinem Buch »Das Tor zur Welt« lesen, doch er war verhindert. Der WebWecker hat die Gelegenheit ergriffen, dem geneigten Fußballpublikum die wesentlichen Spielzüge des Werkes näher zu bringen


Von Manfred Horn

Fußball ist wichtig. Fußball spiegelt die Gesellschaft. Daraus folgt: Schlaue Bücher über Fußball sind notwendig. Klaus Theweleit, in Freiburg lebender Schriftsteller, den eine ganze Generation von Bewegten seit seinem zweibändigen »Männerphantasien« kennt, wollte eigentlich vor zwei Wochen nach Bielefeld kommen. Die Lesung im Buchladen Eulenspiegel fiel aber aus, weil der Theweleit kurzfristig verhindert war. An dieser Stelle wollen wir einen kleinen Einblick in das geben, worüber Theweleit an diesem Abend wohl gesprochen hätte:

Theweleits neues Buch »Tor zur Welt« kennt nur ein Thema: Fußball. Das lokalpatriotische Opfer des Journalisten gleich vorweg: Auch Arminia Bielefeld kommt vor, echt! Auf Seite 186 heißt es: »Opfer kann jeder sein. In diesem fußballerischen Augenblick, Herbst 2003, trifft es Arminia Bielefeld, momentan Zweitligist. Zwei reguläre Tore gegen Erzgebirge Aue werden nicht anerkannt. Zweimal heben Linienrichter die Fahne falsch ... Das Spiel endet 1:1. Fehlen Bielefeld am Ende der Saison zwei Punkte zum Aufstieg, sind es diesen beiden ihnen hier gestohlenen.« Danke, Herr Theweleit, aber die Fußballwelt hat sich bekanntlich weitergedreht und Arminia sorgt, fernab des Erzgebirges, in Liga eins für Furore. »Wir« sind wer in Bielefeld nicht war. Liebe Bielefelder, genießt den Augenblick, den noch in diesem Jahrzehnt wird Bielefeld sicherlich wieder in Liga zwei spielen.

Ansonsten hat Theweleit ein hochspannendes und hochintelligentes Werk verfasst, sauber geteilt in einen biographischen ersten und analytischen zweiten Teil. Im ersten fängt Theweleit bei sich selber an. Er, der 1942 geborene, erzählt von den Jahren nach dem Krieg, die aus seiner Sicht vor allem geprägt waren durch einen Mangel an spielbaren Bällen. Wunderbar, wenn er über Gummibälle, die an Eisenzäunen zerplatzen schreibt: »Da waren vor allem überall diese grauenvollen Eisenzäune, mit denen in den 50ern so gut wie jeder Garten, besonders in Husum, eingegittert war: Rohre, die etwa 1,50 Meter hoch aus dem Boden ragten, Durchmesser circa acht Zentimeter, die obere Öffnung mit einem Hammerschlag plattgeschlagen oder so zusammengedrückt, dass zwei scharfe Ecken entstanden«. Sie sollten das Überklettern unmöglich machen. Eigentlich stammten die Rohre von den Nazis. So schließt sich der Kreis: Böse Nazis, Ball kaputt.

Oder aber Theweleit, der zeitweise auf einem Bauernhof lebt, beschreibt das Spiel mit der Schweineblase. Für den Schlachter Abfall, war sie für ihn Gold wert. Die Blase, oval und eigentlich zu leicht mit einem Nippel an einem Ende, eierte mehr durch die Gegend als das sie wirklich flog.

Theweleit berichtet auch von seinem ersten Margarinealbum – Butter war zu teuer für die Flüchtlingsfamilie – die erste wichtige Informationen und Bilder von richtigen Fußballspielern lieferte, und er erzählt vom jähen Ende seiner Karriere, als sein Knie versagt.