Webwecker Bielefeld: hartzweiter01

»Wir machen weiter« (15.12.2004)








Seit August laufen in Bielefeld jeden Montag Kundgebungen und Demonstrationen gegen Hartz IV. Die TeilnehmerInnenzahl ist im Laufe der Monate kleiner geworden, doch die InitiatorInnen wollen weiter machen. Der WebWecker-Redakteur Manfred Horn sprach mit Leonore Natale und Marlis Bussmann, die beide regelmäßig teilnehmen und im Vorbereitungskreis zu den Demonstrationen aktiv sind



WebWecker: Wie sind die Montagsdemonstrationen in Bielefeld entstanden?

Bussmann: In Bielefeld wurde von einem Betriebsrat und ver.di-Kollegen ein Aufruf geschrieben. Wir haben davon erfahren und uns direkt angeschlossen, und mit uns noch viele andere. Zur ersten Kundgebung am 23. August kamen dann auch gleich 400 Menschen.

Natale: Ich bin spontan dazugekommen. Ich habe es in der Zeitung gelesen. Da hatte sich bei mir schon über Jahre ein Leidensdruck aufgebaut.


Inzwischen hat die Zahl der Teilnehmer deutlich abgenommen.

Bussmann: Es gibt viele, die müssen jetzt mit dem zurecht kommen, was auf sie zukommt. Ich habe Verständnis für jeden, der mit der Situation nicht gut umgehen kann und sich Thema lieber ein bischen vom Leib hält. Aber es hilft alles nichts: Das Thema muss öffentlich bleiben.


Auch nach dem 1. Januar?

Bussmann: Ja, ich sehe da auch kein Ende. Und ich nehme an, dass 2005 viele Widersprüche von Betroffenen kommen.

Natale: Der Stoff geht uns sicherlich nicht aus. Im nächsten Jahr sollen beispielsweise die Rentner dran sein. Da sind die nächsten Opfer. Bundeswirtschaftsminister Clement hat es selbst gesagt: Hartz IV ist nur die Mutter der Reformen.


Wird der Protest auf andere sozialpolitische Themen ausgeweitet?

Bussmann: Hartz IV ist bei Montagsdemonstrationen eigentlich ein Symbol für die ganze ungerechte und unvernünftige Wirtschaftspolitik. Die Kaufkraft wird bei vielen abgezogen, bei Arbeitslosen, Kranken, Rentnern und nicht zuletzt auch bei Arbeitnehmern. Anschließend wundert man sich dann, dass die Binnennachfrage nicht mehr funktioniert. Wirtschaft funktioniert dann, wenn Leute kaufen. Man macht eine Politik, bei der man einem Einkommensmillionär eine Steuererleichterung von 100.000 Euro gibt. Der Einkommensmillionär wird höchstens in Aktien investieren, aber nicht für mehr Kaufkraft sorgen.


Haben die Montagsaktionen, die bekanntlich nicht nur in Bielefeld stattfinden, eine politische Wirkung?

Natale: Ja. Beispielsweise ist die zugestandene Kaltmiete in Bielefeld nicht auf 4,17 Euro festgesetzt sondern jetzt auf 4,63 Euro.

Bussmann: Es sind schon Teilerfolge, wenn es nicht so schlimm ausfällt oder wenn man weitere Verschärfungen abbiegt. Zugleich kann aber auch ein Prozess des Umdenkens in Gang kommen. Dazu zähle ich auch, dass sich innerhalb der CSU Seehofer gegen weitere Verschlechterungen im Gesundheitsbereich sperrt. Alle Aktionen zusammen: Demonstrationen, kritische Beiträge in den Medien oder Leserbriefe: Dies alles trägt dazu bei, diesen Umdenkungsprozess einzuleiten.


Wie ist die Idee mit dem offenen Mikrophon zu Stande gekommen, wo jeder vor Ort zu allen sprechen kann?

Bussmann: Über die Medien wird die neoliberale Heilsbotschaft verbreitet. Es ist eine wunderbare Sache, hier eine andere Öffentlichkeit herstellen zu können. So kann jeder seine eigenen Eindrücke wiedergeben und anderseits Informationen erfahren, die beispielsweise aus Büchern und dem Internet stammen. Wir brauchen unbedingt Mikros, an denen unsere Interessen genannt werden können.

Natale: Wir stehen jetzt in der Adventszeit in der Bahnhofstraße. Da kommen dann Passanten vorbei, die einfach ans Mikrophon gehen.