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Susan J.Brison: »Vergewaltigt. Ich und die Zeit danach. Trauma und Erinnerung.«



Titel: Vergewaltigt. Ich und die Zeit danach. Trauma und Erinnerung

Im Juli 1990 um 10.30 Uhr, also am hellen Tag wird Susan J. Brison in ihren Ferien in Frankreich während eines Spaziergangs überfallen und brutal vergewaltigt. Der Täter lässt von seinen Mordversuchen ab, als er sie für tot hält, er lässt die vermeintliche Leiche im Gebüsch zurück. Doch Susan J. Brison überlebt, sie kann sich an die Straße schleppen und einen vorbeifahrenden Bauern stoppen, der sie zur Polizei bringt. Sie hat das Glück, dass ihre Aussagen über die ihr zugefügte Gewalt nicht angezweifelt werden, aufgrund ihrer Aussagen kann der Täter gefasst werden, in einem über zwei Jahre nach der Tat stattfindendem Prozeß wird er zu 10 Jahren Haft verurteilt.

„Vor zehn Jahren, nachdem ich in Südfrankreich eine Vergewaltigung und einen Mordversuch knapp überlebt hatte, setzte ich mich wenige Monate danach an meinen Computer, um darüber zu schreiben. Aber alles, was ich zustande brachte, war eine Liste des Widersinnigen. Nichts ergab mehr einen Sinn....Ich konnte mir nicht erklären, was mir geschehen war. Ich war ohne jeden Grund angegriffen worden. Ich hatte mich aus der menschlichen Gemeinschaft herausgewagt und war außerhalb des moralischen Universums gelandet, jenseits des Reiches vorhersehbarer Ereignisse und verständlicher Handlungen, und ich wusste nicht, wie ich wieder zurückfinden sollte“, so Susan J, Brison in ihrem gerade in deutscher Sprache erschienenem Buch „Vergewaltigt. Ich und die Zeit danach. Trauma und Erinnerung“. Susan J. Brison ist Philosophin, sie lehrt in den U.S.A an den Universitäten von New York und Princeton und am Dartmouth College. Die Autorin nimmt das Persönliche zum Ausgangspunkt ihrer philosophisch feministischen Erkundung. Sie nähert sich autobiografisch der Frage, wie nach dem Überleben dieses existentiellen Gewaltaktes, der nur Trümmer des alten Ichs hinterlässt, ein Neuanfang, ein Überleben und Weiterleben überhaupt möglich ist, welche Sprache es erst ermöglicht über das traumatische Erlebnis zu sprechen. Erstaunlich offen und ermutigend denkt sie über Themen wie „Gewalt“, „Sexualität“ und „das Selbst“ nach. Was bedeutet „Erinnerung“oder „Vergessen“ ? Was bedeutet der Begriff „Trauma“ bzw. was bedeutet es, traumatisiert zu sein?

Eindrücklich erläutert sie die Notwendigkeit des Opfers, sich an das traumatische Erlebnis erinnern zu müssen, sich einem mitunter auch imaginiertem Gegenüber mitteilen zu müssen, um das Überlebte bearbeiten zu können. Die Umwelt drängt i.d.R. zum Vergessen, um, so eine ihrer Schlußfolgerungen, sich nicht der Tatsache stellen zu müssen, dass das autonome Selbst doch nicht alles unter Kontrolle hat und durch die Erfahrung traumatischer Ereignisse zudem in seiner Eigenständigkeit und dem persönlichem Handlungshorizont eingeschränkt sein kann. Jeder Lebensplan kann jederzeit durch unvorhersehbare, nicht planbare Ereignisse in seinen Grundmauern komplett zum Einsturz gebracht werden, nichts ist sicher, einen äußerst anstrengende Ausgangposition für den Alltag. Aber, so erklärt Susan J. Brison, das Leben lässt sich erneuern und weiterleben, trotz wiederkehrender Krisen und traumatisierender Erinnerungen auch glücklich und erfüllt. Susan J. Brison nimmt ihre persönlichen Erfahrungen zum Ausgangspunkt . Beim Nachdenken und Bearbeiten greift sie zurück auf Ergebnisse der Traumaforschung, auf feministische Debatten und nicht zuletzt auf die Beiträge von Holocaustüberlebenden. Interessant, spannend, auch hilfreich.

Susan J.Brison, Vergewaltigt. Ich und die Zeit danach. Trauma und Erinnerung. C.H. Beck Verlag, 2004, 17,90 Euro

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