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Herrn Himmler zum Geschenk (02.02.2005)





Jürgen Hensel: »Stroop hat das Ghetto verbrannt und gesprengt«,



Im Rahmen der Ausstellung Oneg Schabbat in der Bielefelder Volkshochschule referierte am vergangenen Donnerstag Jürgen Hensel vom Jüdischen Historischen Institut Warschau über den SS-Mann Jürgen Stroop. Der Detmolder war eine der zentralen Figuren bei der Zerstörung des Warschauer Ghettos und der Vernichtung des Großteils seiner Bewohner.

Von Mario A. Sarcletti

»Er hat im wahrsten Sinne des Wortes ein Wohnviertel einer europäischen Großstadt platt gemacht. Sein Vorgehen hat auch unter SS-Kollegen Grauen ausgelöst«. Drastisch beschrieb Jürgen Hensel vom Jüdischen Historischen Institut Warschau die »Leistung« des Detmolders Jürgen Stroop, der 1943 die Liquidierung des Warschauer Ghettos und seiner jüdischen Bewohner leitete. Die Person des SS-Mannes Stroop sollte Hensel an dem Abend im Historischen Museum erläutern. Die blieb den etwa 100 Zuhörern allerdings eher rätselhaft, über den Aufstand im Ghetto und seine Niederschlagung konnten sie hingegen einiges erfahren.

Dass über Stroop, der laut Hensel immerhin einer der Aufsteiger im Dritten Reich war, nur so wenig bekannt ist, hat damit zu tun, dass es nur weinig Literatur über ihn gibt. Eine wichtige Quelle ist über Stroop ist eine Liste von 42 Fragen, die er nach dem Krieg beantworten musste, eine weitere das Buch »Gespräche mit einem Henker«. In dem gibt Kazimierz Moczarski, ein polnischer Offizier die Gespräche wieder, die er mit Stroop in einer polnischen Gefängniszelle geführt hat. Erschienen ist das Buch in der DDR. Das geringe Interesse in der BRD an der Geschichte begründet Hensel mit der »wirtschaftlichen Betätigung« deutscher Betriebe im Ghetto. Sechzehn, vor allem mittelständische, Unternehmen unterhielten Produktionsstätten im Ghetto, profitierten von ihm vor allem durch die Fertigung von Wehrmachtsuniformen.

Einer der wichtigsten Quellen über Stroop und die Vernichtung des Ghettos ist der »Stroop-Bericht«, in dem die Vorgänge im »jüdischen Wohnbezirk« vom 19. April bis zum 16. Mai 1943 akribisch festgehalten sind. Den Bericht hat Stroop nach Meinung Hensels wohl nicht selbst verfasst, ihn aber unterzeichnet. Ein Indiz dafür, dass der Bericht mehrere Autoren hat, sind für Jürgen Hensel Stilbrüche: »Die Berichte waren mal nüchtern und dann wurde wieder emotional von Banditen und Untermenschen gesprochen«, sagt der Historiker

Klar ist für Hensel warum der Bericht erstellt wurde. »Er war ein Geschenk für Herrn Himmler«, sagt Hensel. Dafür sprächen die Fotos des Berichts und der Satz, der dem Bericht vorangestellt wurde und ihn berühmt machte: »Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk – in Warschau mehr!«, lautet der. Für Hensel sind Formulierung und Ausrufezeichen völlig untypisch für militärische Berichte.

Der Historiker erzählt, dass Stroop erst im Frühjahr 1943 nach Warschau kam. Hintergrund sei ein Konflikt zwischen den »Ökonomen« und den Hardlinern in der SS gewesen. Die Ökonomen hätten die Arbeitskraft der Juden noch nutzen wollen und auf Vernichtung durch Arbeit gesetzt, während die Rassisten nur ihre Vernichtung als Ziel hatten. Im Januar 1943 habe dann Heinrich Himmler bei einem Besuch des Ghettos gesehen, dass dort immer noch Juden lebten. »Der springt salopp gesagt im Karree und sagt, die Juden müssen vernichtet werden«, beschreibt Hensel die Reaktion des Reichsführers SS auf den Besuch.