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Wie wirkt Hartz IV in den Schulen? (Teil 3)



Der PWV weist auf ein gravierendes Problem hin: Ab 2005 sind die bisherigen Beihilfen in die Regelleistung integriert. Beihilfen waren einmalige Leistungen für Kleidung, Hausrat, Wohnungsrenovierung u. ähnliches. Bisher mussten sie nach individuellem Bedarf einzeln beantragt werden. Sie lagen im statistischen Mittel bei 15 bis 16 Prozent der Ausgaben für den Regelsatz. Heute sind individuelle Aufstockungen nach tatsächlichem Bedarf nur noch auf Darlehensbasis möglich. Kinder und Jugendliche haben vor allem in den Bereichen Bekleidung und schulische Bedarfe bisher deutlich mehr als 15 Prozent an einmaligen Leistungen erhalten. Das ist verständlich, wenn man den Erneuerungsbedarf aufgrund ihres Wachstums bedenkt. In den Modellvorhaben hat sich gezeigt – so der PWV – dass die Leistungen des ALG II für Bedarfsgemeinschaften mit Kindern zu gering waren.

Die Kinder sieht der PWV denn auch als »Verlierer der neuen Regelsatzverordnung«, weil sie Kürzungen von circa 10 bis 12 Prozent in Kauf nehmen müssten. »Wir brauchen Regelsätze, die ein Leben ohne Armut ermöglichen«, betont der PWV. »Was wir haben, sind Regelsätze, die Armut festschreiben und verschärfen.« Schulkinder bekommen nach den Berechnungen des PWV künftig monatlich für Schulmaterialien 1,33 Euro, für Spielzeug und Hobbyartikel stehen 1,56 Euro zur Verfügung: »Wer glaubt, damit könne man auskommen, ist lebensfremd«.


Die Auswirkungen werden kaum positiv sein

Für das Wohlergehen von Kindern werden die Eltern verantwortlich gemacht. Familien sind materiell aber von den Angeboten des Arbeitsmarktes und der Personalpolitik der Firmen abhängig. Viele Menschen und Familien verloren in den letzten Jahren und Jahrzehnten ihre Einkommensquellen durch die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen. Sie sind heute ohne Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weil dieser nicht mehr genügend Arbeitsplätze mit einem entsprechenden Lohnniveau bietet.

Durch Hartz IV werden Eltern und Kinder gezwungen, ihr Leben auf einem geringeren Niveau zu fristen. Sie werden in starkem Maß von den Zuteilungen, Planungen, Entscheidungen und Maßnahmen der Jobagenturen abhängig. Viele werden sich in dieser Situation ohnmächtig fühlen. Zudem wird ihnen Anerkennung verweigert. Denn Löhne und Gehälter sind in der heutigen Gesellschaft nicht nur Existenzsicherung, sie stellen auf der psychischen Ebene auch eine Anerkennung für Leistungen und soziale Zugehörigkeit dar.

Wie verändert sich unter solchen Umständen das Beziehungssystem der Familien? Was lernen Kinder, die die Veränderungen ihrer Umwelt wahrnehmen und verarbeiten, daraus? Schulkinder werden durch einen Anstieg der Kinderarmut bedroht, so die Prognosen. Der PWV rechnet mit 1,5 Millionen armen Kindern 2005 statt bisher 1,1 Millionen. Konkrete Antworten werden nur im individuellen Fall möglich sein. Anzunehmen ist aber, dass

  • die meisten der betroffenen Familien über weniger Geld für die Ernährung, Kleidung und Ausstattung ihrer Kinder verfügen werden.
  • die Energien der Eltern noch mehr als bisher absorbiert werden (Fragebogen, Anträge, Widersprüche, Übergangsregelungen, Eingliederungsvereinbarung, Wohnungssuche usw.).
  • viele Eltern mit der Pflichtarbeit der sogenannten 1-Euro-Jobs eine berufliche Dequalifizierung erleben werden.
  • die Chance, durch eine 1-Euro-Arbeitsgelegenheit einen regulären Job zu finden, gering ist und oft nicht hinreichend motivieren wird.
  • viele von denen, die die Arbeitsgelegenheiten als Chance auf einen regulären Arbeitsplatz begreifen, früher oder später enttäuscht sein werden.
- daher in vielen Fällen die Erwartung trügt, in den Familien würden wieder geordnete Alltagsstrukturen entstehen und Arbeitstugenden neu gelernt werden können.