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Dorfpunk im Kamp (Teil 2)



Du schreibst Teile deiner Jugend nieder und damit werden Tausende von Leuten für einpaar Lesestunden gut unterhalten. Macht es dir nichts aus, die Erfahrungen und Abenteuer deiner Jugend, die dir wahrscheinlich sehr wichtig sind und dein späteres Leben scheinbar stark geprägt haben, dem gelangweilten Publikum zum kurzlebigem Amüsement anzubieten?

Die Leute sind ja nicht gelangweilt, sondern sie kommen, weil es sie interessiert. Vor allem geht es in dem Buch um die Beschreibung von Tristesse in der Provinz und es gibt eine Menge von Leuten die sich darin wiedererkennen und diese Tristesse auch in ihrem Leben feststellen. Ich kriege viele Mails von jungen Leuten, die gerade selber irgendwo auf dem Land in einem Nest fest hängen. Die meinen, genau das was in diesem Buch steht, erleben sie jetzt, zwanzig Jahre später in ihrem Leben. Insofern habe ich gar kein Problem damit das so zu präsentieren.


In letzter Zeit war zu beobachten, dass Leute, gerade mal mit Mitte dreißig, anfangen Biografien zu schreiben. Das ist für eine Biografie ja schon ein bisschen jung. Hast du eine Idee wie das zu erklären ist?

Ich weiß auch nicht genau wo das herkommt. Es hat, glaube ich, etwas damit zu tun das diese Achtziger Jahre Generation gerade in dem Alter angekommen ist, wo sie anfangen zu schreiben und auch schreiben können. Musikalisch und in der Mode wird das ganze gerade ja auch total recycelt. Es gibt gerade ein Interesse an dieser Zeit. Außerdem war das mit dem Buch auch gar nicht meine Idee sondern mein Verlag hat mich gefragt, weil sie die Geschichten von mir kannten und sie gut fanden. Ich finde eine Biografie zu schreiben ist nichts weltbewegendes. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass sie sich gut verkauft und die Lesungen gut besucht werden. Geschrieben habe ich es in erster Linie für meine Freunde die immer noch auf dem Land sitzen. Es gibt eine Menge von Achtziger Biografien wie zum Beispiel ›Verschwende deine Jugend‹ oder ›Herr Lehmann‹. Die berichten immer von der Großstadt und von bekannten Leuten die da coole Sachen erleben. Ich dachte, man müsste mal vom Gegenteil berichten: Also von der Provinz und von der Kleinheit der Dinge. Ein Großteil der Punkrockbewegung hat in den Achtzigern auf dem Land gesessen. An einer Bushaltestelle und hat dort gewartet das man da endlich wegkommt und für die ist dieses Buch.


Du schreibst, du warst Roddy Dangerblood bis du neunzehn warst. Dann wurdest du Rocko Schamoni und vorher hattest du einen bürgerlichen Namen. Gab es da konkrete Wendepunkte in deinem Leben? Und warum sind Namen als Identität überhaupt so wichtig?

Der Name den ich hatte und den ich nicht gut fand war quasi das Aushängeschild meiner Familie und einer Gesellschaft die ich damals total öde fand. Ich habe mir einen neuen Namen gegeben um klar zu machen, dass ich nicht mehr in der Gesellschaft in die ich reingeboren bin, leben will. Der neue Name sollte ausdrücken, ich bin jetzt jemand anders. Ich bin jetzt von mir selbst erfunden und von mir selbst erschaffen. Das zeigt auch der idiotische Quatschbegriff ›Roddy Dangerblood‹. Das war eine bewusste Abkehr von der Normalität und der andere Name, den ich jetzt habe, war noch mal ein Schritt weiter um mich ganz und gar von meiner alten Identität zu lösen.