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»Wir lachten und wir weinten gleichzeitig« (30.03.2005)





Foto entnommen aus: H.-J. Kühne, Zwischen Krieg und Frieden - Bielefeld 1945. Wartberg-Verlag 2004. Das Foto stammt aus den National Archives, College Park, Maryland in den USA. Aufgenommen am 4. April 1945 in Brackwede. Es zeigt befreite polnische, französische, holländische und belgische Zwangsarbeiter vor einem US-amerikanischen M5 - Panzer. ›Crew chief‹ ist Sergeant V. Hubel (Mann mit Helm).




Von Manfred Horn

Anfang April jährt sich zum sechzigsten Mal der Tag der Befreiung der ausländischen Zwangsarbeiter in Bielefeld durch die einmarschierenden us-amerikanischen Truppen. Es war zugleich die Befreiung der Stadt vom Nationalsozialismus. Am 2. April 1945 stehen die us-amerikanischen Truppen am Rande der Stadt und stoßen zunächst noch auf heftigen Widerstand in Jöllenbeck. In den kommenden zwei Tagen gelingt ihnen dann aber die Einnahme der Stadt. Die Funktionäre des Naziregimes setzen sich ab, zurück bleibt eine Bevölkerung mit einer ungewissen Zukunft.

Auch für die Zwangsarbeiter war die Situation in den Wochen und Monaten vor der Befreiung prekär. Insgesamt circa 17.000 waren in der Stadt, darunter auch rund 1.800 Kriegsgefangene, die zur Arbeit verpflichtet wurden. Sie sahen die Auflösung der Strukturen, bekamen nur noch unregelmäßig Essen, ihre Unterkünfte waren teilweise zerstört. Dann gab es immer wieder Gerüchte über Transporte. Die Zwangsarbeiter wussten nicht, was sie davon halten sollten. Sie fürchteten, dass die Transporte der Weg in die Vernichtung sein könnte. Tatsächlich werden dann zwei Transporte zusammengestellt: nach Hannover und Hamburg. Viele flüchten aber, als sie davon hören. Überhaupt versuchen sich viele Zwangsarbeiter in den Tagen, bevor die US-Truppen in die Stadt einmarschieren, abzusetzen. Sie verstecken sich in der Umgebung, in verlassenen Häusern oder aber kommen bei Deutschen unter, die sich nicht verraten.

In den vergangenen Wochen legten 26 ehemalige Bielefelder Zwangsarbeiter davon Zeugnis ab. Sie wurden vom Verein ›Gegen Vergessen, Für Demokratie‹ angeschrieben, der sich seit einigen Jahren um Kontakt mit den ehemaligen Arbeitssklaven bemüht. Die meisten von ihnen leben in der ehemaligen Sowjetunion, also in der Ukraine, in Lettland, Russland und Weißrussland. Viele von ihnen sind bereits verstorben. Der Verein hatte bereits vor zwei Jahren eine Lesung aus Briefen im Theater am Alten Markt organisiert, im vergangenen Herbst war erstmals auf Einladung der Stadt eine Gruppe ehemaliger Zwangsarbeiter ganz offiziell zu Besuch, vermittelt hatte dies der Verein.

Nun jährt sich die Befreiung zum sechzigsten Mal, Anlass für den Verein, nochmals Kontakt mit den überwiegend alten Frauen aufzunehmen. 50 hat der Verein angeschrieben, verbunden mit der Frage, wie sie die Zeit vor und nach der Befreiung erlebt haben. Der Verein ist erfreut über die zahlreichen Rückmeldungen, kennt er doch auch die Schwierigkeiten, darüber zu schreiben, aber auch banale Dinge wie Schreibpapier aufzutreiben. Die meisten der ehemaligen Zwangsarbeiter sind arm, viele krank und können selber gar nicht mehr schreiben. Sie diktieren dem Sohn oder der Enkelin ihre Zeilen.