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Werkstattgespräche (06.04.2005)





Wie lebt es sich auf Bielefelds schillerndster Baustelle? Wir fragen Menschen hinter den Kulissen des Stadttheaters, was der Umbau für sie bedeutet. Heute: Thomas Wittland, Leiter der Kostümabteilung und Hüter des Fundus.


Interview: Aiga Kornemann

Haben Sie ein Lieblingskostüm?

Thomas Wittland: Ich nicht. Fragen Sie unsere Schneider, die sagen dann, oh ja, das! Wenn man sich ein Kostüm ansieht, Rokoko oder Barock, das ist schon ausdrucksstark, aber in der Zeit hätte ich nicht leben wollen. Mir gefällt die Mode der 20-er Jahre, die Zwanziger hatten was, finde ich.


Im Fundus des Bielefelder Stadttheaters lagern an die 13.000 Teile. Kennen Sie jedes Stück?

Was die letzten 21 Jahre betrifft würde ich sagen, fast jedes. Ich habe die laufende Spielzeit und die davor genau abgespeichert. Was, sagen wir, vor 15 Jahren war, müsste ich auch nachgucken. Aber so im Groben kriege ich das zusammen.


Bewahren Sie alles auf?

Wenn ein Stück abgespielt ist, gibt es einen so genannten Totenschein fürs Kostüm, dann können wir die Teile anders verarbeiten. Meistens bleiben sie noch eine Zeit lang hängen. Aber irgendwann platzt der Fundus aus allen Nähten. Ich habe mal ausgerechnet, wir bräuchten jedes Jahr an die 50 Quadratmeter mehr Platz. Das geht natürlich nicht. Also müssen wir zwischendurch mal ein paar Sachen aussortieren. Im Juni machen wir wieder einen offenen Kostümverkauf. Dann hängen wir die Ständer voll, fahren sie hier in den Flur und die Leute freuen sich.


Könnte ich da Piratenstiefel finden?

So etwas können wir nicht ohne weiteres hergeben. Vor zehn Jahren gab es in Detmold einen ganz alten Schuhmacher, der war schon um die 90. Er hat Schuhe und Stiefel für uns gemacht, und das unglaublich günstig, weil er einfach Spaß an seinem Job hatte. Aber diesen Mann gibt es leider nicht mehr und Stiefel sind teuer. Wenn da mal die Sohle kaputt oder irgendwas eingerissen ist, reparieren wir es, so lange es eben geht.


Wie entstehen die Kostüme?

Wir besprechen uns erst mal mit dem jeweiligen Kostümbildner. Der sagt, was er braucht und wie er’s am liebsten hätte. Dann weiß ich schon, ob wir etwas Geeignetes im Fundus haben und was wir neu machen müssen. Ich muss dabei auch die finanzielle Seite im Blick haben und die Arbeitszeit. Wir haben zwei Gewandmeisterinnen, eine für Damen, eine für Herren, die suchen dann Stoffe aus, entwickeln Schnitte und schneiden die Stoffe zu. Dann werden die Teile in der Schneiderei gefertigt.


Wird so genäht wie überall?

Die Stücke werden zusammengenäht, dann erst entstehen die Feinheiten. Da wird anprobiert, zusammengesteckt, hier muss noch ein bisschen gemacht werden, da noch eine Tasche hin. Bei den Anproben ist es mir wichtig, dass ein Stück sitzt und so ist, wie es sich der Kostümbildner vorgestellt hat. Grundsätzlich stellen wir die Sachen so her, dass sie ein, zwei Größen Luft haben. Das heißt für die Verarbeitungstechnik, die Einschläge sind schon mal doppelt so groß wie bei konfektionierter Kleidung. Auf diese Weise können wir etwa bei einer Umbesetzung ein Kostüm schnell für jemanden ändern, der vielleicht ein bisschen kräftiger ist als der, für den das Stück eigentlich genäht wurde.


Wie viel Kostüme sind es für eine Inszenierung?

Es gibt große und kleine Inszenierungen. Wenn wir eine große Oper haben mit rund 70 Darstellern und jeder hat zwei Kostüme, dann hat man schon einige Kleiderständer voll.


Wie ist die Kostümabteilung vom Umbau betroffen?

Wir hatten das Glück, hier bleiben zu können. Als das Gespräch aufkam, wo die Maske hinkommt, habe ich gesagt, bloß nicht weit weg, lieber nah an der Kostümabteilung. Hier hatten wir einen Raum, eigentlich einen Frühstücksraum. Der wurde umgebaut in einen Arbeitsraum für die Maskenbildnerei. Die Leiterin Ute Wasinski hat ihren Schreibtisch mit in mein Büro gestellt. Jetzt haben wir kurze Wege, das bewährt sich.