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Die Sozialreformen aus Gütersloh (08.06.2005)





Ohne Medien läuft nichts: Die Bertelsmann-Stiftung hat den Vorteil, gleich die eigene Massenpresse im Haus zu haben




Voll war es am Sonntag Nachmittag im Bunker Ulmenwall: Rund 130 BesucherInnen waren gekommen, um Hersch Fischler und seinen Ausführungen über die Bertelsmann-Stiftung zu lauschen. Veranstaltet wurde der Vortrag mit Diskussion vom Bielefelder FoeBuD, der zur Public Domain #138 geladen hatte.



Von Manfred Horn

Die Bertelsmann-Stiftung, die auf dem Prachtboulevard ›Unter den Linden‹ in Berlin und in Gütersloh gleich neben dem Medienriesen Bertelsmann residiert, hat der Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn – nach dem bereits heute zu seinen Lebenszeiten schon ein Berufskolleg in Gütersloh benannt ist – 1977 eingerichtet. 1993 dann übertrug Mohn der Stiftung den Großteil des Grundkapitals der Bertelsmann AG, die bis heute ihren Stammsitz in Gütersloh hat.

Ein »strategischer Geniestreich«, wie Frank Böckelmann, der zusammen mit Hersch Fischler das bei Eichborn erschienene Buch ›Bertelsmann‹ geschrieben hat, findet. Denn die Stiftung ist gemeinnützig, Mohn spart kräftig Steuern. Heute hält die Stiftung 57 Prozent der Bertelsmann-Aktien, hat aber kein Stimmrecht. Dies wird von der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft ausgeübt. In diesem achtköpfigen Gremium ist die Familie Mohn mit vier Personen vertreten, unter ihnen auch noch der inzwischen 84-jährige Reinhard Mohn. So habe sich die Familie die Macht gesichert, findet Böckelmann.

Weil die Stiftung so viel Kapital hat, kann sie jährlich rund 64 Millionen Euro für ihre Vorhaben ausgeben und 250 hoch qualifizierte Akademiker beschäftigen. Dies ist achtmal so viel wie zum Beispiel die Initiative ›Neue Soziale Marktwirtschaft‹, die vom Metall-Arbeitgeber-Verband mit dem Ziel einer Deregulierung des Staates und der Wirtschaft betrieben wird. Ein Vergleich mit der Initiative ›Neue Soziale Marktwirtschaft‹ bietet sich an, weil beide Organisationen offenbar ähnliche Ziele verfolgen: Denn hinter den ganzen Symposien, Tagungen und Veröffentlichungen zu allen möglichen gesellschaftlichen Themen sieht Fischler eine verbindende Absicht: Die Bertelsmann-Stiftung sei eine Denkfabrik, um die Gesellschaft wie ein Unternehmen zu organisieren.

Die Wohlstandsgesellschaft sei am Ende, findet die Bertelsmann-Stiftung und bietet auch gleich Rezepte für eine neue Gesellschaftsformierung an. So seien alle Bereiche der berühmt-berüchtigten Agenda 2010 von der Bertelsmann-Stiftung vorkonzeptioniert worden, betont Fischler. Auch Gesundheits- und Hochschulreformen hat die Stiftung ersonnen. Heribert Meffert von der Bertelsmann-Stiftung bezeichnet diese gar als »Identifikationspunkt der Reformarbeit«. Die meisten Projekte der Stiftung haben sich längst zu Netzwerken entwickelt, betrieben in Kooperationen mit Regierungen, Verbänden, Firmen und Initiativen.


Bildungspolitik als Schlüssel

Bis heute steht dabei die Bildungspolitik im Vordergrund: Rund die Hälfte des immensen Jahresbudgets gehen in diesen Bereich, den Mohn für den Schlüssel der Gesellschaftsreform ansieht. Ein großer Nutznießer ist das 1994 auf Initiative von Mohn gegründete Centrum für Hochschulentwicklung ›CHE‹. Es wird zu 75 Prozent von der Bertelsmann-Stiftung finanziert. Das Institut mit 20 Mitarbeitern propagiere mehr Produktivität und Effizienz in Forschung und Lehre, wie Fischler heraustellt. Der höhere Output solle durch mehr Wettbewerb entstehen, auch zwischen den Professoren und Hochschulen. Die Idee der Elitehochschule hatte CHE bereits durchdacht, bevor sie die Bundesregierung publik machte.