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Die Sozialreformen aus Gütersloh (Teil2)





<Ob Hartz IV oder Personal-Service-Agentur: <br>Die Bertelsmann-Stiftung schrieb die Konzepte für die Sozialreformen, sagt Hersch Fischler


Die Hochschulpolitik der rot-grünen Regierung sei mit einem Konzept angetreten, das die »Handschrift des CHE und der Bertelsmann Stiftung trug«, sagt Fischler. Mohns Motto lautet: Entfesselung der Hochschulen. Diese seien in erfolgsorientierte Organisationen zu verwandeln. CHE hat sich selbstverständlich auch zu den Studiengebühren positioniert: Abwägend zwar, aber keineswegs als Gegner (http://www.che.de/studiengebuehren.php?show=Position ). So resümiert CHE in einem Positionspapier: »Aus der Summe der unterschiedlichen Analysen leitet das CHE das Ergebnis ab, dass Studiengebühren vorteilhaft sein können«.

Beeindruckend auch der Urheberschaft der Bertelsmann-Stiftung bei der Agenda 2010. Bereits seit Anfang der 1990er Jahre drängte die Stiftung zu neoliberalen Reformen und empfahl die Abschaffung der Arbeitslosenversicherung. Forderungen, die unter dem ehemaligen CDU-Arbeitsminister, dem »Herz-Jesu-Marxisten« Norbert Blüm nicht umgesetzt wurden. Erst der Sozialdemokrat Wolfgang Clement im Verein mit der Bundesregierung und der SPD und Grünen-Fraktion brachte es fertig, zumindest große Teile des Bertelsmann-Konzepts umzusetzen. Von September 1999 bis April 2003 förderte die Stiftung das Projekt »Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe«. »Hier aber entstanden die Grundlagen für Hartz IV«, sagt Fischler.

Auch die Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit zur Bundesagentur gehe auf das Konto der Bertelsmann-Stiftung. Bereits 1995 startete das Projekt »Leistungsorientierte Führung in er Bundesanstalt für Arbeit«. Die Einführung der Job-Center und Personal-Service-Agenturen gehen auf die Bertelsmann Stiftung zurück, diesmal in Kooperation mit der Unternehmensberatung McKinsey. Das Konzept entwickelten beide Institutionen in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit.

Inzwischen begleitet die Stiftung die »Erfolge« der Sozialreformen mit Rankings, in denen Industrienationen in ihrem Kampf gegen Arbeitslosigkeit verglichen werden oder Ämter auf ihre Wettbewerbsfähigkeit hin überprüft werden. Die politischen Folgen eines Konzepts, das bisher nur weitere Kosten für den Staat – alleine Hartz IV wird in diesem Jahr die Staatskasse wohl mit rund 20 Milliarden Euro zusätzlich belasten statt Einsparungen zu bringen – und mehr Druck auf Arbeitslose hervorbrachte, führt die rot-grüne Regierung zur Zeit geradewegs in Neuwahlen – oder wie es Fischler formuliert: »Rot-Grün muss geradezu vor den Wählern flüchten«. Die Bertelsmann-Stiftung jedoch wird weiterarbeiten.


Bertelsmann ist kein SPD-Laden

Denn es ist ein Mythos, dass Bertelsmann und die Stiftung der SPD oder gar den Grünen nahe stünden. Große Teile – viele Zuhörer fanden: zu große Teile – des Vortrags verwendete Fischler darauf, den Zuhörern aufzuzeigen, warum sich historisch Bertelsmann und die SPD nähergekommen sind, letztlich sogar die SPD in Abhängigkeit von Bertelsmann geraten ist. Reinhard Mohn habe eben keine parteipolitischen Präferenzen, jedenfalls keine offensichtlichen. Er hat vielmehr ein wirtschaftliches Modell im Kopf, dass er in den USA kennengelernt hat, auf sein Unternehmen übertrug und mit dem er nun auch das ›Unternehmen Deutschland‹ wieder flott machen will. Und dieses Modell hebt darauf ab, zu privatisieren oder zumindest im staatlichen Bereich privatwirtschaftliche Leistungsbedingungen einzuführen. Unternehmerische Führungsmethoden müssten her.